Über Versuche, die Kasseler Ausstellungsidee weiter zu entwickeln
KASSEL. Wo die Axt des Sparkommissars den Wald lichtet und wichtige Bestände bedroht, sind die Voraussetzungen schlecht, über neue Projekte nachzudenken. Doch wenn man den zum Kürzen gezwungenen Politikern glaubt, dann sollen die Sparmaßnahmen dazu beitragen, für spätere Jahre den Spielraum für neue Investitionen zu erhalten. Also darf und soll sehr wohl über neue Impulse in der Zukunft nachgedacht werden. Dabei geht es in Kassel ganz konkret um den Vorsatz, mithilfe des weltberühmten Markenzeichens documenta auch in den Jahren, in denen die Weltkunstausstellung nicht stattfindet, die Aufmerksamkeit auf die Stadt zu lenken und zusätzliche Besucher hierher zu holen. Immer wieder ist der Gedanke vorgetragen worden, ein Forum im Geist der documenta zu schaffen. An feste Ausstellungen war gedacht worden oder an den Aufbau eines documenta-Museums. Nun wurden in der jüngsten Zeit zwei Ideenstränge entwickelt, die sich gut verbinden ließen. Seit drei Jahren arbeitet documenta-Geschäftsführer Bernd Leifeld an der Idee einer documenta-Akademie. Ihr Grundgedanke: Auf persönlichen Vorschlag der früheren documenta-Leiter werden internationale junge Künstler, die erfolgreich ihr Studium abgeschlossen haben, als Stipendiaten nach Kassel eingeladen. Sie sollen hier in Ateliers (eventuell im Dock 4) arbeiten und sich am Ende mit Ausstellungsprojekten in der Kunsthalle Fridericianum präsentieren können. Die Akademie soll organisatorisch an die documenta GmbH angebunden werden. Auch denkt Leifeld an eine enge Zusammenarbeit mit der Kunsthochschule Kassel und dem documenta Archiv. Für das Akademie-Projekt hatte Leifeld sogar schon einen Sponsor gefunden, doch zu dem Zeitpunkt war die Politik in den Entscheidungsmöglichkeiten noch nicht so weit. Nun könnte sich aber vor dem Hintergrund der Diskussion über ein anderes Konzept für die Staatlichen Museen Kassel eine neue Perspektive für die Idee ergeben. Denn ein Kernpunkt des Konzepts ist die Idee, den Standortvorteil documenta auszubauen. Daher hat die hessische Landesregierung den Vorschlag zur Gründung einer documenta-Akademie aufgegriffen. Bei der Belebung des documenta-Geistes denkt das Land Hessen an die Kunsthalle, aber auch an die Neue Galerie. Dieses Museum für die Kunst seit 1750 könnte demnach zu einem Museum für die Moderne oder gar documenta umgestaltet werden. Das hätte für die Neue Galerie nicht nur einen neuen Sammlungsauftrag zur Folge, sondern könnte auch dazu führen, dass für die Neue Galerie neben Ausstellungen auch andere Projekte geplant werden. Schlüssig für eine solche Neukonzentration der Kräfte wäre eine Einbindung und Stärkung des documenta Archivs. Es hat oft genug gezeigt, dass es weit mehr sein kann als das bloße Gedächtnis der Ausstellung.
HNA 24. 9. 2003