Die Fotografie setzt in der Art Cologne ihren Siegeszug fort – Videokunst bleibt im Hintergrund
KÖLN. Der Kunstmarkt ist beharrlich und reagiert langsam. Seit über einem Jahrzehnt drängt die Fotografie in den Kunstbereich hinein, doch erst jetzt, so hat man den Eindruck, ist den Künstlern, die mit fotografischen Mitteln arbeiten, der Durchbruch auf breiter Front gelungen. Wie selbstbewusst sich die Fotokunst in Szene setzen kann, wird in der Sonderausstellung Köln Skulptur in der Kunstmesse Art Colog-ne deutlich. Denn zwischen den Werken von klassischen Bildhauern präsentiert Katharina Sieverding ihre Arbeiten als Rauminstallation (Galerie Sabine Knust/Michael Neff). Sie hat in den offenen Raum kubische Elemente gestellt, die jeweils auf zwei Seiten Großfotos und auf den beiden anderen Spiegel tragen. Die Fotos reflektieren das Bild des Menschen (bis hin zum Tod) mit analytischer Schärfe. Durch die Spiegel werden die unterschiedlichen Ansichten verknüpft und wird das Umfeld einbezogen. Unwillkürlich finden sich die Betrachter als Teile der Arbeit wieder. Die fotografischen Arbeiten waren ein Schwerpunkt der Documenta 11 gewesen. Die Kölner Kunstmesse belegt, dass sich auch der Markt entsprechend orientiert. Der entscheidende Unterschied: Während die Documenta 11 vor allem Fotokunst vorstellte, die mit den dokumentarischen Mitteln spielt, stehen in der Art Cologne die analytischen und erzählerisch-fiktiven Bildserien im Vordergrund. Sie eröffnen neue Blicke auf die Wirklichkeit. Einen der reizvollsten Werkkomplexe stellt der Kölner Künstler Stephan Reusse (Galerie Feichtner & Mizrahi) vor, der an der Kunsthochschule Kassel studiert hat. Er präsentiert in gelblich-bräunlichen Farben Thermobilder, die in der Dunkelheit auf der Basis der Temperaturunterschiede Körper von Menschen und Tieren sichtbar machen. Ebenso faszinierend wie amüsant sind die Ansichten von scheinbaren Gletscherlandschaften von Stephan Huber (Galerie Six Friedrich). Auch bei den großartigen Landschaftspanoramen von Hiroyuki Masuyama (Galerie Sfeir-Semler / Studio La Citta) weiß man nicht, wo die Begrenzung der Realität übersprungen wird. Eine neue Dimension der Ästhetik eröffnet Bill Beckley (Galerie Hans Mayer) mit seinen Farbaufnahmen von Blumenstielen, die eine Position zwischen Stillleben und konstruktiver Gestaltung einnehmen. So offen die Kunstmesse gegenüber der Fotografie geworden ist, so zögerlich nähert sie sich der Video-Kunst. Das mag damit zusammenhängen, dass die meisten Video-Installationen viel Raum beanspruchen. Immerhin sind drei Künstler der Documenta 11 in Köln gut vertreten Kutlug Ataman, Kendell Geers und Joan Jonas. Von Joan Jonas sieht man eine ausgezeichnete Video-Skulptur: In einem Objekt, das wie ein Brunnenbecken wirkt, ist ein Monitor eingelassen, der Aufnahmen von einer Schwimmerin projiziert. Die verspiegelten Innenwände vervielfältigen das Videobild und fangen zugleich die Porträts der Menschen ein, die ihren Kopf in die Skulptur stecken. Im Gegensatz zur Documenta11 zelebriert die Art Cologne die Malerei als eine sich immer wieder erneuernde Kraft. Dabei schlägt die Kunstmesse einen weiten Bogen von den Malern der Klassischen Moderne über die abstrakte Kunst der 50er-Jahre bis zur aktuellen Gegenwart. Bei aller Frische und Lebendigkeit der jüngeren Malerei bleiben allerdings die wirklich neuen Ansätze zählbar. Zuweilen ist verwunderlich, mit welcher Unverblümtheit bekannte Auffassungen und Stile übernommen und wiederholt werden. Jonathan Meese etwa, dessen Arbeiten gleich von vier Galerien präsentiert werden, begibt sich mit seinen wild gestalteten Bildwänden in die direkte Nachfolge der Dada-Bewegung. In seinem Fall überwiegt der Aufguss
HNA 31. 10. 2002