Ecke Bonk hat erste Gespräche über den Verbleib seiner D11-Arbeit geführt
KASSEL. Gelingt es, Ecke Bonks Arbeit zum Deutschen Wörterbuch für Kassel zu sichern? Der in Karlsruhe lebende Künstler hält es für möglich. Die ersten Gespräche, die er deswegen in der Stadt geführt habe, so erklärte er auf Anfrage unserer Zeitung, seien positiv gelaufen. Allerdings müssen vor einer Ankaufsentscheidung zwei Fragen geklärt werden: An welchem Ort könnte sinnvoller Weise die Arbeit, die während der Documenta 11 im Fridericianum zwei Säle in Anspruch nahm, gezeigt werden? An zweiter Stelle kommt die Preisfrage. Bonk hat noch keine Summe genannt, da er sich selbst erst über den Preis klar werden muss. Doch im nächsten Gespräch mit Kulturdezernent Thomas-Erik Junge will er seine Preisvorstellung nennen. Allerdings ist es mit dem bloßen Ankauf nicht getan. Bonk weist darauf hin, dass sich jemand auch um die weitere Betreuung des Projekts kümmern müsse. Den Gedanken, seine Arbeit im Brüder-Grimm-Museum zu installieren, hält Ecke Bonk nicht für glücklich. Es sei schwierig, die Projektion der Auszüge aus dem Wörterbuch (Random Reading) auf die Wohnraum-Größe, wie sie im Museum gegeben sei, zu reduzieren. Eher könnte sich Bonk vorstellen, seine Arbeit entweder in der Universitätsbibliothek am Holländischen Platz oder in der Murhardschen am Brüder-Grimm-Platz zu zeigen. Die Murhardsche Bibliothek gehört ebenfalls zur Universität und birgt die Teilbestände jener Landesbibliothek, in der Jacob und Wilhelm Grimm arbeiteten und die Grundlagen für ihr Deutsches Wörterbuch schufen. Dort also befände sich Bonks Arbeit in dem geistigen Umfeld, aus dem das fundamentale Werk hervorging. Nach einer Ortsbesichtigung weiß aber Ecke Bonk, dass an keinem der beiden Bibliotheksstandorte die Documenta11-Arbeit einfach aufgebaut werden könnte. Wahrscheinlich müssten erst bauliche Voraussetzungen geschaffen werden. Bonk kann sich, wie er gegenüber der HNA erklärte, aber auch einen völlig anderen Standort vorstellen. Benennen wollte er ihn nicht, da zuvor festgestellt werden müsse, ob dieses Gebäude überhaupt ernsthaft diskutierbar sei. Am liebsten wäre ihm, in Kassel ergäbe sich die Möglichkeit, eine Erinnerungs- und Arbeitsstätte für das Wörterbuch zu schaffen: Es gebe bisher kein Haus, das dem Deutschen Wörterbuch gewidmet sei. Bei einer Installation der Arbeit in Kassel wäre ihm wichtig, dass der Bezug zur Aufklärung sichtbar würde. Denn das Fridericianum, das einst die Landesbibliothek beherbergte, ist als das erste öffentliche Museum auf dem europäischen Kontinent ein Haus der Aufklärung gewesen. Sollte sich Kassel zum Ankauf entschließen, müsste auch die Trägerschaft geklärt werden: Geht die Arbeit als zeitgenössisches Kunstwerk der Form halber ins Eigentum der Neuen Galerie über, übernimmt die Stadt das Werk oder die Bibliothek? Nach Bonks Vorstellung wäre es das Beste, die Interessierten und Verantwortlichen würden die Fragen am Runden Tisch klären. Sicher ist, dass Bonk seine Documenta11-Arbeit für eine Dauer-Installation verändern wird. In einem früheren Gespräch hatte er bereits angedeutet, dass er nur einen Teil der 428 Einzelausgaben zum Wörterbuch an einer Wand in Bilderrahmen präsentieren will. Die übrigen Exemplare sollen in einem Regal aufgestellt werden. Bei der Einrichtung der Projektion der Textauszüge aus dem Wörterbuch denkt Bonk wie in der Documenta11 an einen Rund-um-die-Uhr-Betrieb. Die Projektion aller Texte, deren Abfolge nach dem Zufallsprinzip erfolgt, würde dann ungefähr ein Jahr in Anspruch nehmen. Über den Zeitraum und die Geschwindigkeit, in der die 299268 reinen Stichwörter (Lemmata) sichtbar gemacht werden sollen, müsse man sich noch unterhalten. Dass die Projektion der Lemmata im Fridericianum nicht am Sonntag um 20 Uhr mit dem Wort Zypressenzweig endete, hängt nach Bonks Angaben damit zusammen, dass die Hardware- und Software-Uhren im Computer unterschiedliche Takte vorgaben und mal die Projektion beschleunigten und mal verlangsamten. Insgesamt hatte der Uhren-Streit zu einer Verzögerung geführt. Da Bonks Arbeit nicht einfach abgeschaltet werden, sondern die Projektion das letzte Stichwort erreichen sollte, musste dem Wörterbuch zuliebe die Documenta11 um 22 Minuten verlängert werden.
HNA 20. 9. 2002