Gerhard Richter wird heute 75 Jahre alt – Bilder zwischen Abstraktion und Fotorealismus
Gerhard Richter ist eine Ausnahmefigur. Er hat alles gemalt, was zu malen ist: Propaganda-Spruchbänder in der DDR, in der der gebürtige Dresdner aufgewachsen ist. Dann folgten in Westdeutschland als Reaktion auf die Vorherrschaft abstrakter Kunst realistische Bilder, die zuweilen voller Ironie waren und der Pop-Art nahekamen. Daraufhin begann er, sich mit der Wirkung der Fotografie zu beschäftigen, und schuf Porträts, die wie Bilder einer verschwommenen Erinnerung wirken. Und schließlich nahm er die gestische Malerei der abstrakten Expressionisten auf und fertigte Serien farbkräftiger Gemälde, die als einziges Thema den breitflächigen Farbauftrag hatten. Kurz, Gerhard Richter verweigerte sich jeder Festlegung und entwickelte gleichwohl einen unverkennbaren Stil. Seit 1972 war Richter sechs- mal zur documenta nach Kassel eingeladen. In jeder Ausstellung überraschte er mit seinen Beiträgen. 1972 zeigte er inmitten der Fotorealisten Farbtafeln, die wie die Umsetzung von Musterbögen wirkten. Und 1997 erregte er Aufsehen und Widerspruch, weil er keine Malerei, sondern sein Archiv aus Fotografien und Bildstudien (Atlas) vorstellte.
Gerhard Richter, der Kölner Ehrenbürger ist und seiner Heimatstadt Dresden wichtige Bilder schenkte, zählt heute zu den ganz Großen der internationalen Kunst. Seine Gemälde erzielen Höchstpreise, gerade gestern wurde von ihm ein abstraktes Bild zum Rekordpreis von vier Millionen Euro in London versteigert. Der in Köln lebende Maler, der viele Jahre Akademie-Professor war, wird heute 75. Er geht jedem Rummel aus dem Wege und verweigert sich Erklärungen, weil er, wie er selbst sagt, keine Theorien habe.
Von Richter haben wir noch ein Aufsehen erregendes Werk zu erwarten: In diesem Frühjahr wird im Kölner Dom ein 100 Quadratmeter großes Fenster fertig gestellt, das wie die Bilanz seines Schaffens erscheint. Es besteht aus 11 500 Glasquadraten, in denen sich 80 verschiedene Farbtöne abwechseln. Eine neue Harmonienlehre.
HNA 9. 2. 2007