Bilder und Objekte in Beziehung setzen

Thematische Linien durch die Documenta 11(12): Die Kunst der Installation setzt sich durch

Das Wort ist aus dem handwerklich-technischen Bereich geläufig: Installation. Gemeint ist die Aufstellung, Anbringung oder Einrichtung einer Anlage. Auch wenn in einer Ausstellung Objekte aufgestellt oder Bilder aufgehängt werden, handelt es sich um eine Installation. Unabhängig davon hat sich innerhalb der zeitgenössischen Kunst dieser Begriff als Bezeichnung einer bestimmten Werkform durchgesetzt. Wir sprechen immer dann von einer Installation, wenn Objekte und Bilder in eine Beziehung zueinander und zu dem Raum gebracht werden; wenn also die einzelnen Elemente nicht nur aufgereiht sind, sondern als Ganzes eine Einheit bilden. Möglicherweise wäre das Einzelobjekt bedeutungslos und ohne künstlerischen Anspruch. Erst durch die Zuordnung gewinnen die Dinge an Bedeutung, entsteht der künstlerische Rahmen. Die Summe ergibt immer mehr als die bloße Addition der Einzelteile. Leicht nachvollziehen lässt sich das an dem Beitrag von Georges Adéagbo: In einem großen Raum der Binding-Brauerei hat der in Benin lebende Künstler an den Wänden und auf dem Boden eine schier unüberschaubare Sammlung aus Büchern, Bildern, Zeitungsseiten, Souvenirs und Flohmarktobjekten ausgebreitet. Im Zentrum des Raumes liegt ein von geschnitzten Säulen flankiertes Boot; daneben steht ein Globus. Adéagbo lädt symbolisch zu einer Reise um die Welt ein, die zu seinen afrikanischen Wurzeln führt und zu fremden Kulturen und die in Kassel und bei der Documenta 11 endet. Zahlreiche Bilder und Dokumente beziehen sich auf Kassel und reflektieren die documenta-Geschichte. Es ergibt sich das Bild eines globalen kulturellen Dialogs. In ähnlicher Weise ist der Raum von Choreh Feyzdjou im Fridericianum als eine Installation anzusehen. Nicht das einzelne Objekt zählt, sondern die eingerußten Regale, Schachteln, Kisten und Bildrollen zusammen vermitteln die Botschaft, dass die Künstlerin ihre Arbeit zum Ende und Stillstand gebracht und der normalen Betrachtungsweise entzogen hat. Auch die Art und Weise, in der im Kulturbahnhof Andreas Siekmanns Zeichnungen auf den Tischreihen und an den Wänden zusammen mit Wortskulpturen präsentiert werden, lässt auf eine Installation schließen. Unter diesem Begriff sind zudem die Räume von Tania Bruguera und Yinka Shonibare (Binding) sowie Alfredo Jaar (Fridericianum) einzuordnen. Kennzeichnend für die Documenta11 ist, dass in ihr mehrere Foto- und viele Video-Arbeiten als Installationen vorgestellt werden. Bei der Fotografie ist an Allan Sekulas Fish Story (Binding) zu denken, in der die Fotos aus dem Bereich der Seeschifffahrt mit Texttafeln kombiniert werden. Auch James Colemans mit einem Kommentar unterlegte Diaschau von spielfilmhaften Szenenbildern (Fridericianum) gehört dazu. Die wohl wichtigste Leistung der Ausstellung zur Vermittlung der Video-Kunst ist die Fülle der unterschiedlichen Installationen. Fast jeder Raum bietet eine neue Konstellation und sorgt für eine andere Anmutung. Am besten zu studieren ist das in der Binding-Brauerei: Da sind beispielsweise die Arbeiten von Craigie Horsfield, Isaac Julien und Eija-Liisa Ahtila, in denen sich zwischen mehreren Projektionswänden Bezüge und Dialoge entwickeln. Fast kein Besucher kann sich dem Charme und der Vitalität von Kutlug Atamans Video-Porträt der Amarylliszüchterin Veronica Read entziehen. Die Redseligkeit und Besessenheit der Züchterin werden dadurch gesteigert, dass die Projektionen auf vier frei im Raum hängenden Wänden beidseitig zu sehen sind. Auf der anderen Seite fühlt man sich wie in einer Überwachungsstation, wenn man bei Lorna Simpson auf 31 Bildschirmen die Tagesabläufe von zwei Frauen verfolgen kann. Hier wird die Parallelität der Beobachtungen zur Totalität, aus der es kein Entrinnen gibt.
HNA 23. 8. 2002

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