Vom Provokateur zum gesetzten Klassiker

Eine Leitfigur der Pop-Art: Der britische Maler Allen Jones wird heute 65 Jahre alt – Früher Streit um Fetisch-Bilder

Allen Jones war lange Zeit im Kunstbetrieb eine Reizfigur. Er galt als Fetischist und Sexist. In den 60er- und 70er-Jahren gab es kaum ein Werk von ihm, in dem nicht Frauen mit hochhackigen Schuhen und prallen Busen die Blicke auf sich zogen. Nutzte er die Kunst, um seine erotischen Fantasien auszuleben? Wahrscheinlich hatte er seine Freude daran. Trotzdem verhielt es sich nicht so einfach, wie man es sich vorstellte. Die Lektüre von Nietzsche, Freud und Jung hatte Allen Jones dazu gebracht, in seinen Bildern das in der Öffentlichkeit vermittelte Verhältnis von Mann und Frau zu thematisieren. Und indem er die Vorlagen für seine Gemälde und Objekte den einschlägigen Magazinen und Wäschekatalogen entnahm, bezog er sich auf die in der westlichen Welt damals vorhandene Fetisch-Kultur. Allen Jones war insofern ein echter Vertreter der Pop-Art: Er verarbeitete und reflektierte Bilder, die bereits in der Gesellschaft vorhanden waren und stellte so einen engen Bezug zur Wirklichkeit her. Der Streit um seine Motive hatte anfangs den Blick für seine Malerei verstellt. Erst vor rund zwei Jahrzehnten erkannten viele den Wert des Beitrags, den Jones zur Entwicklung der Malerei geliefert hatte. Dabei war der Brite schon 1964 und 1968 mit wichtigen Arbeiten an der Kasseler documenta beteiligt gewesen. Jones ist von der sinnlichen Lust am Spiel der Farben besessen. Grell und unvermischt prallen sie aufeinander und bringen die Bilder zum Leuchten. Das 1964 entstandene Gemälde Stürzende Figur (Museum Ludwig in Köln) besteht aus einer gelben oberen und blauen unteren Hälfte. Pfeilartig schießt nach unten eine nicht genau erkennbare bunte Doppelfigur, die von oben nach unten einen roten Feuerschweif gezogen hat. In der näheren Auseinandersetzung mit den Bildern von Jones lernt man, wie er die Kompositionen öffnet und die Malerei selbst zum Thema macht. Dicke Farbkrusten findet man neben dünnen Malschichten, durch die die Leinwand sich abzeichnet. Mal blüht die Vielfarbigkeit wie im Regenbogen auf, dann wieder wählt Jones gedämpfte und schmuddlige Töne. Zu den Charakteristika von Jones Kunst gehört die Vorliebe für extreme Formate. So gibt es von ihm schmale und hohe Bilder, die auf eine einzelne Figur zugeschnitten sind: Indem Jones dann noch die Füße und den Kopf anschneidet, wie er es 1966/67 bei der Komposition Idealer Partner tat, lässt er die Figur ins Endlose wachsen. Allen Jones wird heute 65. Er ist längst zum Klassiker geworden. Das spürt man nicht nur in seinen Bildern, in denen die Malerei noch wichtiger geworden ist. Auch seine bemalten Holzfiguren, die Tanzende darstellen und von einer traumhaften Leichtigkeit sind, sprechen dafür. Sie verhelfen der Malerei zur Bewegung im Raum.
HNA 1. 9. 2002

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