Das Ineinandergreifen der Formen

Zum Tode des baskischen Bildhauers Eduardo Chillida Wichtige Werke in Deutschland

Eine schleichende Hirnkrankheit hatte den baskischen Bildhauer Eduardo Chillida seit einigen Jahren ans Haus gebunden. Jetzt starb er im Alter von 78 Jahren in seiner Heimatstadt San Sebastian. Spanien trauert um den Künstler, der einer der letzten großen Bildhauer im Grenzbereich von klassischer Skulptur und freier Formgestaltung war. Sein Werk erfüllt alle Spanier mit Stolz, schrieb König Juan Carlos in einem Beileidstelegramm. Dabei haben die Spanier von Chillida und seinem Werk erst spät Notiz genommen. Sein Ruhm war in anderen Ländern, vor allem in Deutschland, weitaus größer. Drei Mal, 1964, 1968 und 1977, war Chillida an einer documenta beteiligt, in Goslar wurde er mit dem Kaiserring geehrt, und Bundeskanzler Schröder ließ vor dem Bundeskanzleramt in Berlin die 90-Tonnen-Skulptur Berlin aufstellen. Sucht man einen Zugang zu Chillidas Werk, dann bietet sich die Berliner Skulptur zur Annäherung beispielhaft an: Wie viele andere Bildhauer bevorzugte Chillida als Material Stahl, weil auch er die rostende Oberfläche als ein Reservoir für natürliche Farben ansah. Gleichzeitig reizte ihn die Gestaltung massiver, konstruktiver Elemente, aus denen er organisch wirkende Formen hervorgehen ließ. Aus der strengen, starren Gestalt wachsen wuchernde Stränge, die von Leben und Bewegung zeugen. So besteht auch die zweiteilige Skulptur Berlin aus geraden Grundpfeilern, die in die Höhe ragen. In der Waagerechten dann gehen die beiden Teile der Skulptur vom streng Konstruktiven allmählich ins Organische über. Es ist, als würden die hakenförmigen Glieder wie Finger ineinander greifen. Damit kommen wir zu einem wesentlichen Punkt in Chillidas Werk: Auch wenn der Bildhauer sich bereits in seinen Anfängen für eine abstrakte Formensprache entschieden hatte, brach er nie den Bezug zum Inhaltlichen und Gegenständlichen ab. Stets waren seine Skulpturen Symbole oder Kürzel für Bilder und Gedanken. Die Skulptur Berlin kann folglich als ein Symbol für die Wiedervereinigung, für das Wiederzusammenkommen getrennter Teile verstanden werden. Mehrere Arbeiten des Basken basieren auf dieser Zweierbeziehung. In einer anderen Werkreihe hat sich Chillida ausführlich mit dem Block, mit dem Kubus, beschäftigt. Auch dabei suchte er nach jenen Spannungspunkten, an denen sich der Block öffnen und zergliedern lässt, um dann doch wieder zur Einheit zu werden. Eduardo Chillida hatte ursprünglich Architektur studiert, aber als 23-Jähriger brach er diesen Weg ab und begann, bildhauerisch zu arbeiten. Bereits 1958 erhielt er den Großen Preis für Skulptur der Biennale in Venedig. Seit dem Jahr 2000 gibt es in Hernani bei San Sebastian ein eigenes kleines Chillida-Museum, zu dessen Eröffnung Schröder ins Baskenland flog. Der Bildhauer, der auch in Stein, Beton, Schamotte und Alabaster arbeitete, schuf zahlreiche Skulpturen für den öffentlichen Raum. In Frankfurt stehen das Haus für Goethe und Gruß an Heidegger, für Bonn schuf er De Musica IV, und in Münster ist seine Skulptur Toleranz zu sehen. Begleitend zu seinen Skulpturen hat Chillida ein bedeutendes zeichnerisches Werk geschaffen. Diese Zeichnungen haben einen eigenständigen Charakter und offenbaren das elementare Formenbewusstsein des Bildhauers. Mit einigen Blättern war Chillida in der documenta6 in der Abteilung Handzeichnungen vertreten.
HNA 21. 8. 2002

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