Hamburger Künstler-Projekt Park Fiction mit Ausdauer und Witz
Wir sind gewohnt, Kunst und Leben fein säuberlich zu trennen. Wohl mag ein Kunstwerk die Lebenswirklichkeit spiegeln oder reflektieren, doch bezweifeln wir, ob es Aufgabe der Kunst sei, direkt in das Leben einzuwirken. Deshalb gab es auch große Vermittlungsprobleme, als Joseph Beuys mit seiner Vorstellung von einer sozialen Plastik Ernst machte und zur documenta7 sein Projekt 7000 Eichen startete. Aus der Idee erwuchs das lebendigste und räumlich größte Kunst-Projekt, das nachhaltig das Stadtbild von Kassel veränderte. Auf nachhaltige Veränderung in der Stadt arbeitet in Hamburg auch die von Cathy Skene und Christoph Schäfer angestoßene Initiative Park Fiction hin. Ihr mit den Bürgern und anderen Gruppen gemeinsam angesteuertes Ziel ist die Schaffung eines Volks-Parkes inmitten des Problemgebietes von St. Pauli. Der Kampf um die Park-Idee währt schon fünf Jahre. Es gab aussichtslose und hoffnungsvolle Phasen. Andere hätten schon aufgegeben, aber Christoph Schäfer besitzt genug Zuversicht, Ausdauer und Witz, um weiterzumachen. Die Einladung zur Documenta 11 dürfte der Initiative einen neuen Schub geben. In der Ausstellung wird das Filmmaterial gezeigt, das die Gruppe über die Arbeit an ihrem Projekt gedreht hat. Es ist eine Mischung aus Dokumentation und Agitprop, es gibt Interview-Passagen und komisch-naive Spielfilmeinlagen und zudem zeichnerische Traumprojektionen. Thomas Hirschhorn, der in der Kasseler Nordstadt gemeinsam mit dort lebenden Jugendlichen an seinem Bataille-Monument arbeitet, legt Wert darauf, nicht als Sozialarbeiter missverstanden zu werden. Die Akteure von Park Fiction hingegen haben kein Problem, als Teil eines großen Planungsstabes angesehen zu werden. 1995 wurden Skene und Schäfer von der Hamburger Kulturbehörde eingeladen, sich an dem Projekt weitergehen zu beteiligen, mit dessen Hilfe neue Formen der Kunst und Kulturarbeit im öffentlichen Raum erprobt werden sollten. Aus dieser Teilnahme ist 1997 das Konzept für Park Fiction entstanden. Da die Künstler und die beteiligten Planer dem Stadtteil nicht ihre Vorstellungen aufzwingen wollen, findet bei Aktionen, Zusammenkünften und Festen ein reger Austausch mit den Bewohnern statt. Ein erster Erfolg bestand darin, dass ein Bauvorhaben für das Areal verhindert werden konnte. Basis für die Park-Idee ist ein Planungs-container, in dem man sich informieren kann, wo man aber auch im Vorgriff auf das Kommende Garten- und Grillgeräte ausleihen kann. Die Konsequenz, mit der die Gruppe für das Vorhaben kämpft, führte zum Erfolg: In langen Verhandlungen wurde eine Zusage der Behörden erreicht. Kunst in Form von Intervention und Veränderung. Das Filmmaterial, das jetzt in der Kunsthochschule Kassel vorgestellt wurde, vermittelt eine Vorstellung davon, dass die kämpferischen und subversiven Methoden aus der 68er-Zeit auch heute noch wirksam sein können, wenn sie frisch, humorvoll und in sich durchaus kontrovers vorgetragen werden. So lernt man die Künstler als Revolutionäre mit Sinn für Spaß kennen. Denn der Pudel, der hier im Bilde zu sehen ist, ist nicht das Symbol der Geisteshaltung, aus der das Park-Projekt verfolgt wird. Er ist vielmehr der lebendige Platzhalter für das Szenelokal Golden Pudelclub.
HNA 11. 5. 2002