Die erste Ausgabe des documenta-Magazins stellt sieben bei uns wenig bekannte Künstler vor
Kassel. Bei der Suche nach Künstlern, deren Werke in der documenta 12 gezeigt werden können, fahnden Roger Buergel und sein Team nicht bloß nach Aktuellem, sondern auch nach solchen Arbeiten, die Voraussetzungen für die heutige Kunst bilden. Wie schon bei Catharine David vor zehn Jahren führt die Spurensuche in die 60er- und 70er-Jahre, als weltweit in Kunst und Gesellschaft Aufbruchstimmung herrschte.
Die erste Ausgabe des documenta-Magazins gibt Zeugnis davon. In das Magazin sind Porträts von sieben Künstlern eingestreut, die damals radikale Ansätze verfolgten, aber international erst Beachtung finden müssen. Die eine oder der andere von ihnen wird in der documenta 12 dabei sein.
Zwei Dinge überraschen bei den Porträts: Fünf der sieben Künstler sind Frauen, und deren Radikalität bezieht sich auf das ästhetische Formenspiel und nicht auf die Inhalte.
Vier der fünf Künstlerinnen wirken seelenverwandt: Die aus Deutschland in die USA emigrierte Ruth Vollmer (1903-1982) übertrug mathematische Modelle in Skulpturen, denen eine große Perfektion zu eigen ist. Die Züricherin Mira Schendel (1919-1988), die nach Brasilien emigrierte, schuf aus bedrucktem Reispapier Objekte und Rauminstallationen von unglaublicher Zartheit, die sich um das Thema Transparenz drehen. Die Inderin Nasreen Mohamedi (1937-1990) studierte zwar in London, kehrte aber in ihre Heimat zurück. Unter dem Eindruck der Abstraktion gestaltete sie zarte ungegenständliche Zeichnungen, die die Perspektive aufheben, und aus denen zauberhafte Skulpturen entstanden. Und die Slowakin Mária Bartuszová (1936-1996) schließlich entwarf ganze Skulpturenlandschaften aus Gipsobjekten, die sie über Ballons geformt hatte. Ihre organischen, vielfach ausgebrochenen Objekte widmeten sich dem Wachstum und der Zerbrechlichkeit.
Dagegen stammen von Lee Lozano (1930-1999) geradezu gewalttätig wirkende Zeichnungen und Objekte, die sich um Bedrohung und Sexualität drehen. Spannend ist auch das Werk des Malaysiers Redza Piyadasa (Jahrgang 1939), der eine eigene Spielart der Konzept-Art entwickelte und in sie Aspekte des asiatisch-islamischen Denkens einbrachte. Der aus Karachi kommende Rasheed Araeen (Jahrgang 1935) endlich arbeitet mit streng gebauten Körpern und Gitterstrukturen, um Fragen nach Masse, Spannung, Dehnung und Verdichtung zu erkunden.
HNA 28. 2. 2007