Im Kasseler Kulturbahnhof zieht der Zeichner und Maler Albert Cüppers (Jahrgang 1932) eine Bilanz seines künstlerischen Schaffens in den vergangenen Jahren.
KASSEL Die Ausstellung ist ein doppeltes Ereignis. Das eine beschert der Ort: Erstmals erleben die Besucher die von der documenta X eroberten Ausstellungsräume im Kulturbahnhof in einem anderen Zusammenhang. Dieser Ort bewährt sich erneut, wobei die besondere Pointe ist, daß dort, wo während der documenta kaum Malerei zu sehen war, nun die Malerei triumphiert.
Darüber hinaus ist die Ausstellung für sich ein Ereignis. Vorläufig zum letzten Mal bietet Albert Cüppers in Kassel einen Einblick in sein malerisches Werk. Nachdem er mit Erreichen der Altersgrenze im Sommer seine Architektur-Professur an der Gesamthochschule aufgegeben hat, siedelt er nun ins Süddeutsche um.
Einmal im Jahr präsentierte Cüppers in der Vergangenheit dem Freundes- und Kollegenkreis seine jüngsten Arbeiten. So wissen Kenner, welche immer neue Leidenschaft für Cüppers das Malen ist. Jetzt gibt er, da sich kein anderer Veranstalter fand, mit Hilfe seines Hochschulfachbereichs der Öffentlichkeit Zeugnis von seinem produktiven Künstlertum. Er hat die ganze Kunstgeschichte im Kopf, malt aber aus dem Bauch („manchmal lustvoll, manchmal auch mit innerer Wut“), probiert und zitiert und findet immer zu sich selbst zurück: Architekturfragmente, Schnitte durch Landschaften, kunsthistorische Variationen und Natur.
Es gab Phasen, in denen Cüppers einen kühlen magischen Realismus pflegte, und andere, in denen seine Stilisierungen bis an die Grenzen der Abstraktion führte, und dann wieder brachen die Formen und Farben expressiv aus ihm heraus. Je länger man das Werk überblickt, desto klarer wird, daß es ihm vordringlich um Malerei geht und speziell darum, im Malen Wissen und Gefühl in ein Spannungsverhältnis zu bringen.
Die jüngsten Bilder, die Cüppers jetzt präsentiert, wirken wie ein Extrakt seines malerischen Schaffen. Chiffrenartig ordnen sich Motive auf den Flächen zu Reihen und Mosaiken. Bilder im Bild entstehen oder, wie der Maler selbst sagt, „Vielbilder“. Geschichten deuten sich an und mythologische Anspielungen scheinen auf. Mal sind die Gemälde in dunklen Tönen gehalten, dann wieder leuchten sie in grellen Farben. Daneben sieht man expressive Kompositionen und fast archaische Blätter. Kaum hat Cüppers einen Weg gefunden und ihn als vielversprechend erprobt, sucht er einen anderen. Zur Ausstellung hat er außerdem ein hervorragend gedrucktes China-Tusche-Buch herausgegeben.
HNA 8. 11. 1997