Seine in großformatige Gemälde übertragenen Motive aus der Comic-Welt machten ihn populär: Der Maler Roy Lichtenstein starb (nach längerer Krankheit) 73jährig an Lungenentzündung.
Der Kreislauf der Bilder ist grenzenlos: Die Comic-Verlage und Bildpostkarten-Industrie überschwemmen den Markt mit eingängigen Motiven. Der Maler Roy Lichtenstein griff zu den Massen-Reproduktionen und setzte die beliebten Motive, die unser Bewußtsein mit prägen, in großformatige Malerei um. Diese Gemälde von bekannten Bildern wurden ihrerseits so populär, daß von ihnen Bildpostkarten und Aufdrucke für T-Shirts und Mappen hergestellt wurden, die nun wiederum den Markt überfluten.
Roy Lichtenstein hat sich dadurch nicht beirren lassen, daß ihn die Auseinandersetzung mit der Alltagsbildwelt auf diese Weise wieder einholte. Ebensowenig ließ er sich davon beeindrucken, daß seine Werke, die ursprünglich mit Konsum- und Kapitalismuskritik zu tun hatten, selbst zu teuren Konsumobjekten wurden. Der Maler ist von seinem Erfolg überwältigt worden und ähnlich wie Andy Warhol noch zu Lebzeiten eine Legende geworden. Zweimal, 1968 und 1977, war er an der documenta beteiligt.
Zusammen mit Warhol, Claes Oldenburg, Robert Rauschenberg und Richard Hamilton gehörte Lichtenstein zu den Künstlern, die Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre die Pop-Art begründeten. Gemeinsam war ihnen allen, daß sie sich bewußt gegen den damals die Kunstszene beherrschenden abstrakten Expressionismus wandten und ihre Bildmotive der Alltags- und Konsumwelt entnahmen. Die Idole der Nachkriegsgesellschaft, Marilyn Monroe und Mickey Mouse, eroberten die Leinwände.
Auch Lichtenstein hatte in den späten 50er Jahren abstrakt gemalt, in diesen Kompositionen doch bereits schon Comic-Figuren versteckt. 1961 dann begann er systematisch, die kleinen gedruckten Bildvorlagen in große Gemälde umzusetzen. Er wollte einen möglichst unpersönlichen Stil entwickeln. Indem er aber dazu überging, die Rasterpunkte seiner simplen Bildvorlagen ebenso wie die eigentlichen Motive zu übernehmen, wurden diese zu seinem Markenzeichen.
Das Massenhafte wurde als Klischee auf die Ebene der Kunst gehoben. Und durch die Verwandlung ins Monumentale gefroren die Motive vollends. Andererseits verweisen die Rasterpunkte immer auf den Herkunftsort der Bilder. Durch diese Technik entsteht ironische Distanz und gewinnen die Gemälde Räumlichkeit und Tiefe. Wo in Lichtensteins Arbeiten die überdimensionalen Punkte als Flächenstruktur fehlen, wirken die Bilder auch schnell flach.
Lichtenstein war ein Künstler, der malend über das Bild und seine Wirkungsweisen nachdachte. Die Welt der Comics war nur eine Fundgrube, aus der er sich bediente. Ebenso intensiv setzte er sich mit der Kunstgeschichte auseinander. Monets berühmte Bilder von der Kathedrale von Rouen verarbeitete er gleichermaßen zu Rasterbildern wie Werke von Picasso oder anderen berühmten Zeitgenossen. Stets ging er den Umweg über die kleine Reproduktion, verfremdete und vereinfachte auf diese Weise die Kompositionen und ließ sie wie sterile Abziehbilder neu entstehen.
Wenn sich Lichtenstein in seinen Werken vorwiegend auf die reinen Grundfarben konzentrierte, dann folgte er nicht nur den Druckvorlagen, sondern ließ er auch durchscheinen, wie er seine der Medienwelt entliehenen Motive seinen strengen kompositorischen Prinzipien unterwarf: Bei aller Liebe zur Welt der populären Bilder blieb er den Gesetzen einer abstrakt-konstruktiven Kunst verpflichtet.
Es gibt Werke von Lichtenstein, in denen die dargestellten Objekte wie Projektionen wirken. So war es natürlich, daß Lichtenstein häufig die Bildfläche hinter sich ließ und seine Motive als Reliefs oder Skulpturen ausformte. Auch diese plastischen Arbeiten wirken in erster Linie malerisch.
HNA 1. 10. 1997