Pionier der Kunstvermittlung

Nach neun Jahren Kunsthallen-Leitung verlässt René Block Kassel – Abschiedsausstellung beginnt

KASSEL. Seit Anfang Juni läuft in der Kasseler Kunsthalle Fridericianum die Ausstellungsreihe „5 Tage bis zum Ende der Kunst“. In ihr hatte Kunsthallendirektor René Block jungen Kuratorinnen und Kuratoren die Chance gegeben, sich als Ausstellungsleiter zu bewähren. Sie lieferten beachtliche Gesellenstücke ab.
Nun, da die Reihe zu Ende geht, brennt Block ein kleines Feuerwerk ab, indem er in den letzten 14 Tagen noch einmal seinen alten und neuen Künstler-Entdeckungen einen Platz einräumt und indem er im täglichen Wechsel die Kunst präsentiert, die er liebt und die ihn begleitet hat: die Fluxus-Bewegung der 60er-Jahre und die Folgen, die Verknüpfung von Kunst, Musik und Poesie, die Aktion und Performance und die neuen Kunstaufbrüche auf dem Balkan und an den Randzonen der Welt. In diesen 14 Tagen wird vieles anders sein: Ab Dienstag ist die Kunsthalle immer erst ab 18 Uhr (bis 23 Uhr) geöffnet, und jeden Abend gibt es eine Aktion, Musikvorführung, Lesung oder Diskussion. Es ist eine Art künstlerische Bilanz, die René Block nach neun Jahren als Direktor der Kunsthalle zieht.
In den neun Jahren hat er der Kunsthalle ein unverwechselbares Profil gegeben. Vor allem war es ihm gelungen, das Ausstellungsprogramm auf documenta-Niveau anzusiedeln, ohne der großen Weltausstellung zu nahe zu kommen. Nur einmal, als er die „Schluchten des Balkan“ präsentierte, hatte er eine Schau zusammengetragen, die der im vorigen Jahr gestorbene Ausstellungsmacher Harald Szeemann eine „Balkan-documenta“ genannt hatte. In der Tat ist Block zu einem Übervater der Balkan-Künstler geworden, der diesen Ländern und der Welt die Kraft und den Reichtum ihrer Kunst vor Augen führte. Er ist in diesen Ländern genauso gefragt wie in Istanbul, wo er 1985 die Biennale organisierte. So wurde er zu einem weltweit geschätzten Kunstvermittler mit einem untrüglichen Sinn für das, was andere übersehen oder unterschätzt haben.

René Block, der im März 65 wird, wollte sich nach dem Auslaufen seines Vertrages in Kassel eigentlich seiner Lieblingsbeschäftigung, der Herausgabe von Editionen, und seiner großartigen Kunstsammlung widmen. Doch erst einmal hat er eine weitere öffentlichen Aufgabe: Von den nordischen Ländern wurde er beauftragt, die Ausstellung in deren Pavillon zur Biennale 2007 zu organisieren.
Block, der am Niederrhein aufwuchs, begann seine Karriere 1964 in Berlin, wo er als 22-Jähriger eine Galerie eröffnete und schon in seinen ersten Ausstellungen Künstler wie Joseph Beuys, Gerhard Richter, Wolf Vorstell, Nam June Paik und Sigmar Polke präsentierte. Es waren Künstler, die damals nur wenige kannten und die heute Weltruhm besitzen. Block steuerte zu der Beuys-Installation „The Pack“ (das Rudel), die heute der Neuen Galerie in Kassel gehört und derzeit in der Tate Modern in New York zu sehen ist, seinen alten VW-Bus bei.
Die Block-Nachfolge soll im kommenden Frühjahr mithilfe einer Findungskommission entschieden werden. Das neue Ausstellungsprogramm soll nicht direkt nach dem documenta-Jahr 2007, sondern erst im September 2008 beginnen – nach der Jerome-Ausstellung, die ab Frühjahr 2008 im Fridericianum gezeigt wird.
HNA 11. 11. 2006

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