Der Maler Francisco de Goya als Grafiker – Zu einer Ausstellung im Schloss von Bad Arolsen
BAD AROLSEN. Der spanische Maler Francisco de Goya (1746-1828) war ein widersprüchlicher Mensch. Einerseits suchte er die Anerkennung und die Aufträge des königlichen Hofes, auf der anderen Seite fühlte er sich als Freigeist und nahm sich heraus, in seinen Bildern die doppelte Moral, die Unvernunft und die brutale Gewalt seiner Zeit anklagend zu verarbeiten.
Dementsprechend widersprüchlich verlief sein Leben. Er erwarb in seinem Lande höchstes Ansehen und musste doch immer wieder die kirchliche Gerichtsbarkeit (Inquisition) und die Justizbehörden fürchten, sodass er am Lebensende ins französische Exil ging.
Berühmt und berüchtigt, weil in der erotischen Direktheit neuartig, war Goyas Gemälde Die nackte Maja. Viele seiner hochbrisanten, gesellschaftlich wie politisch kritischen Grafiken aber kannten seine Zeitgenossen nicht. Goya hielt sie bis zu seinem Tod unter Verschluss. Vor allem seine Grafikserie Desastres de la Guerra, die unter dem Eindruck der brutalen kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Franzosen entstand, lässt uns Goya als einen Ankläger des blutigen Mordens kennen lernen. Der Künstler, der selbst zwischen den Fronten hin- und hergerissen war, nahm für keine Seite Partei. Er machte sich ausschließlich zu einem Anwalt der Menschen, die unter der Willkür der Soldaten zu leiden hatten.
Vergleichbares hatte es vorher nicht gegeben. Und es sollten noch weitere 100 Jahren vergehen, bis Künstler wie Otto Dix oder Max Beckmann das Leiden und den Aufschrei der Menschen in erschreckenden wie anrührenden Bildern Raum gaben.
Im Namen der Freiheit und Brüderlichkeit hatte die Französische Revolution die alten unmenschlichen Herrschaftssysteme beseitigen wollen. Zwei Jahrzehnte später waren die einstigen Revolutionstruppen selbst zu Mordmaschinen geworden. In seinen nur aus dem Hell-Dunkel-Kontrast lebenden Radierungen machte Goya das Unbegreifliche anschaulich: Aus den mit Vernunft begabten Menschen sind Bestien geworden, die mit Bajonetten auf Wehrlose einstechen und die vor der Zerstückelung ihrer Opfer nicht Halt machen.
Gleichwohl gibt es zwischen diesen Blättern mit ihren erschütternden Botschaften gelegentlich Hoffnungssignale. Denn Goya zeigte auch, wie die letzte Verzweiflung die Frauen mobilisierte. Da, wo die Männer überwältigt waren, sprangen sie auf und gingen mit Messern auf die Gegner los. Eine einzigartige, beklemmende Bilderserie.
HNA 8. 3. 2006