Zu Goyas Radierung Weibliche Torheit
BAD AROLSEN. Der spanische Maler Francisco de Goya (1746 – 1828) ist ein Künstler, dessen grafisches Werk bis heute von größter Aktualität ist. Da die vier Grafikserien Goyas, die zurzeit im Schloss von Bad Arolsen gezeigt werden, ohne Auftrag entstanden und zum Teil erst nach seinem Tod veröffentlicht wurden, offenbaren sie auf direkte Weise seine innere Haltung. Die Ausstellung der Goya-Radierungen nehmen wir zum Anlass, um einzelne Blätter ausführlicher vorzustellen:
Die Szene, die wir hier sehen, macht einen heiteren, im ersten Moment vielleicht auch harmlosen Eindruck. Da sieht man sechs junge Frauen, die gemeinsam ein großes Tuch ausgebreitet halten und durch Ziehen und Wedeln zwei Strohpuppen in der Luft tanzen lassen. Ein ausgelassenes Spiel. Goya hatte dieses Motiv vorher schon mal malerisch umgesetzt, als er eine Vorlage für einen Bildteppich schuf.
In dieser Radierung, die zu der Reihe Disparates (Torheiten) gehört, machte Goya aber aus dem anscheinend harmlosen Motiv eine hintergründige Betrachtung. Denn auf dem Tuch sind – kaum erkennbar – ein schlafender Esel und eine menschliche Gestalt dargestellt. In einem handschriftlichen Kommentar zu einem Probeabzug steht auch das Sprichwort Mit Eseln spielt man Hampelmann.
Das heißt: Goya wollte mit diesem Blatt vorführen, wie die Menschen (Männer) zum Spielball von Frauen werden können und wie sie zu Eseln degradiert werden.
Die Radierung mit dem Titel Weibliche Torheit ist jenseits ihrer rätselhaften Aussage ein meisterliches Blatt. Mit großer Souveränität wechselte Goya von hellen zu dunklen Flächen, um so das Licht ins Spiel zu bringen und der Szene Raum und Tiefe zu geben. Atemberaubend wie in allen Radierungen Goyas ist die Kunst des Zeichners und Grafikers, den einzelnen Figuren ihre individuelle Mimik und Bewegung zu verleihen. Obwohl Goya die Striche immer nur sparsam einsetzte, gelang es ihm, die Kraft des Ausdrucks herauszuarbeiten. Diese Figuren scheinen zu leben.
HNA 30. 3. 2006