Die Ausstellung Traumfabrik Kommunismus in der Frankfurter Kunsthalle Schirn
FRANKFURT. Es ist genau zehn Jahre, dass das Kulturamt der Stadt Kassel in der documenta-Halle die Ausstellung Agitation zum Glück zeigte. Es war nach dem Zusammenbruch des Ostblocks die erste umfassende Ausstellung, die sich auf die sowjetische Kunst der Stalin-Zeit konzentrierte. Hubertus Gaßner, der bis 1993 das documenta-Archiv geleitet hatte und dann ans Münchner Haus der Kunst gewechselt war, hatte versucht, die Wirkung der monumentalen Werke durch eine Überinszenierung zu brechen. Gleichwohl blieb das Unternehmen problematisch, weil die propagandistisch gemeinten Bilder und Skulpturen ungetrübt ihre Faszination entfalten konnten. Das viele Bilder beherrschende Rot stand für den der Zukunft zugewandten Kommunismus; den blutroten Hintergrund von Stalins terroristischem System konnten die Besucher leicht übersehen, wenn sie nicht den Katalog studierten. Für Widerspruch sorgten auch die Versuche einer Art Ehrenrettung der stalinistischen Kunst insbesondere um sie vor einer Gleichsetzung mit der deutschen Nazi-Kunst zu schützen. Dabei liegt ein solcher Vergleich nahe. Beide Einwände, die damals galten, sind auch gegen die Frankfurter Ausstellung Traumfabrik Kommunismus vorzubringen. Aber zuerst überrascht an der Schau in der Kunsthalle Schirn, dass die Veranstalter so auftreten, als würden sie erstmals in Westeuropa diese Kunstwerke zugänglich machen. Der Katalog der Kasseler Ausstellung wird zwar im Anhang angeführt, doch ansonsten wird getan, als betrete man Neuland obwohl zwar nicht dieselben Bilder und Skulpturen, aber die gleichen (austauschbaren) Bildtypen gezeigt werden. Wenn der maßgebliche Kunsttheoretiker Boris Groys im Frankfurter Katalog behauptet, die Entwicklung des Sozialistischen Realismus in den 30er-Jahren sei kein bloßer Rückgriff auf alte, überholte Formen gewesen, dann ist ihm schwer zu folgen. Natürlich sind die wandfüllenden Prachtschinken der Stalin-Zeit nicht ohne die üppige Tradition der russischen Historienmalerei des 19. Jahrhunderts zu denken. Auf der anderen Seite wurde der Anteil der Avantgarde, die sich anfangs in den Dienst der Revolution stellte, mit jedem Jahr unter Stalins Herrschaft (1924-1953) geringer, bis sie zu Tode erdrückt war. Das Zentrum der Ausstellung bilden die Säle, in denen die monumentalen Gemälde von Kongressen mit Massenszenen, die inszenierten Auftritte der politischen Spitzen und die Politiker-Porträts zu sehen sind. Lenin und Stalin erscheinen als die großen Führer in eine glückliche Zukunft, wobei Stalin sehr frühzeitig als das gute Väterchen dargestellt wurde. Die Bilder, auch diejenigen, die alltägliche Szenen spiegeln, sind von Dynamik und Optimismus geprägt. Mag sein, dass sie manches mit den Bildern gemein haben, die zur gleichen Zeit in der Traumfabrik Hollywood produziert wurden. Aber es stimmt doch bedenklich, wie die umstrittene Kunst einer Epoche auf die Propagandabilder reduziert wird. Natürlich gibt es auch Brüche und Korrekturen. Die Filme, die auf Monitoren zu sehen sind, die wenigen Beispiele avantgardistischer Kunst, die Bild-Parodien von Komar & Melamid sowie die Alltagsberichte in der Installation von Ilya Kabakov schaffen kritische und ironische Tendenz. Trotzdem spekuliert auch diese Schau auf die Überwältigung durch eine Malerei, die sonst nichts gilt.
HNA 15. 3. 2000