Eine Einladung an weitere Stifter

15 Jahre nach seiner Eröffnung präsentiert sich das Kölner Museum Ludwig im neuen Licht. Stand früher die Kunst der 60er-Jahre im Zentrum, bildet nun die einmalige Picasso-Sammlung das Herzstück.

KÖLN Stifter machen das Leben nicht nur leichter. Die Kölner können ein Lied davon singen und haben am Ende doch viel gewonnen. Als der mittlerweile verstorbene Aachener Schokoladenfabrikant Peter Ludwig seine Sammlung der Kunst der 60er-Jahre dem Kölner Wallraf-Richartz-Museum überließ, drängte er andere Stifter beiseite und verlangte, dass für die Kunst des 20. Jahrhunderts innerhalb des bestehenden Hauses ein Museum unter seinem Namen gegründet werde. Im zweiten Schritt verpflichtete er die Stadt zu einem Neubau für das so entstandene Doppelmuseum. Und im dritten Schritt schließlich setzten er und seine Frau als Stifter durch, dass der 1986 fertig gestellte Bau zwischen Dom und Rhein dem Museum Ludwig allein überlassen werde. In der Tat erhielt das Wallraf-Richartz-Museum mit seiner Kunstsammlung vom Mittelalter bis zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert einen attraktiven Neubau. Ohne diese zwingenden Verpflichtungen hätte sich Köln kaum innerhalb von 20 Jahren zwei Museumsneubauten geschaffen. Aber was sich wie eine Geschichte von Stifterakten am Rande der Erpressung liest, führte dann doch zum guten Ende: Wenige Tage vor der Neueröffnung gab Irene Ludwig, wie berichtet, bekannt, dass sie ihre gesamte, rund 800 Arbeiten umfassende Picasso-Sammlung dem Museum Ludwig als Schenkung übereignen werde. Dadurch wird die für heute geplante Neueröffnung des Museums Ludwig zu einem wirklichen Fest. Geschickter Schachzug Aber die Schenkungszusage war nicht der einzige Glücksfall zum Neustart. Das Museum Ludwig, das nach dem Auszug des Wallraf-Richartz-Museums seine Ausstellungsfläche nahezu verdoppeln konnte, hatte in den letzten Jahren an Attraktivität und Zuspruch eingebüßt. So hatte man den Direktor der Frankfurter Städel-Schule, Prof. Kasper König, nach Köln zurückgeholt, der dort vor 20 Jahren die legendäre Westkunst-Ausstellung inszeniert hatte. Das war wahrscheinlich der geschickteste Schachzug, denn der erfolgreiche Ausstellungsmacher König hat Mut und Kraft genug, sich über museale Regeln hinwegzusetzen und unkonventionelle Wege zu gehen. Dabei vernachlässigt er aber weder künstlerische Zusammenhänge noch die Pflichten gegenüber der Sammlung. Zentrales Ereignis seiner Neupräsentation ist die Ausstellung der Picasso-Sammlung von den Ludwigs. Unter dem Titel 526 x Picasso wird im ersten Stock konzentriert die ganze Fülle des Bestandes von 1899 bis 1972 ausgebreitet. Wer vergleichbar viele Picasso-Bilder und Skulpturen sehen will, muss schon nach Paris oder Barcelona reisen. Aber nicht nur die Fülle überzeugt, sondern auch die Qualität. Aus jeder Schaffensperiode sind wichtige Arbeiten zu sehen. Einen besonderen Höhepunkt bilden die 347 Blätter einer Grafikserie von 1968, die, wie in einer Studiengalerie gehängt, schon eine eigene Ausstellung tragen könnten. Gelungene Raumfolge Die zweite wichtige Leistung von König und seinem Team besteht darin, dass sie dem Fundament der modernen Sammlung und damit dem Stifter Haubrich wieder gerecht werden. Indem sie einen Flügel der Sammlung Haubrich widmeten, entstand eine außerordentlich schöne Raumfolge mit hochrangigen Werken von Kirchner, Heckel, Mueller, Beckmann, Nolde und Hofer. Natürlich schufen sie auch ausreichend Platz für die Künstler des Surrealismus (Max Ernst, Dali, Magritte, Miro), der Pop-art (Rauschenberg, Warhol, Oldenburg) und für die Werke seit den 60er-Jahren. Dabei hielten sich die Gestalter nicht an die Chronologie, sondern führten in den Räumen Arbeiten zusammen, die miteinander zu tun haben. Besonders gewagt machten sie das im zweiten Obergeschoss, wo sie feste Sammlungsstücke älterer Künstler mit Werken konfrontieren, die das Museum gerne auf Dauer erworben hätte. So haben sie ein Museum unserer Wünsche (gleich mit Katalog) installiert, das weitere Stifter einlädt und das zugleich dokumentiert, in welche Richtung König das neue Museum entwickeln will. Es ist ein gewagter und auch gelungener Sprung nach vorn, weil sich auf diese Weise schon erste Stifter animieren ließen und weil diejenigen, die dem Museum Gutes tun wollen, auf den richtigen Pfad geleitet werden. Dazu kommen noch zwei große Projektsäle für Vorhaben zeitgenössischer Künstler und eine einladende Video-Lounge. Nach dem 28. April soll das Museum Ludwig wieder neu geordnet werden.
HNA 1. 11. 2001

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