Das Expo-Generalthema Mensch Natur Technik hat viele Länder veranlasst, das Wasser in irgendeiner Form zu thematisieren. Mehrere Länder haben zu diesem Zweck Künstler engagiert.
HANNOVER Ohne Wasser kein Überleben. Und da rund um die Welt immer bewusster wird, wie viel man tun muss, um das Wasser in seiner Reinheit zu bewahren, haben die meisten Länder die Wasser-Problematik in ihre Expo-Präsentation eingebunden. Am drastischsten führen das die Dänen vor, die ihren vierteiligen Pavillon in einer Wasserlandschaft errichtet haben: In dem Kubus-Haus kann man mit dem Blick auf durchsichtige Rohre nachvollziehen, wie viel Wasser in einem normalen Haus weggespült wird. Die südafrikanischen Länder hingegen demonstrieren in einer Gemeinschaftsinszenierung den Kampf um das kostbare Nass in Dürre-Landschaften. Dem entspricht auch sehr gut, dass man zwar wie über Wasser, nämlich über einen durchsichtigen Boden, läuft, dass die Muscheln, die man darunter sieht, aber auf dem Trocknen liegen. Die meisten Länder gehen spielerisch mit dem Thema um. Island und Kroatien haben die Außenseiten ihrer Pavillons in Wasserwände verwandelt, an denen still und gleichmäßig das Wasser herunterfließt, wobei der blaue Wasser-Kubus von Island besonders beeindruckend ist. Die absolute Sensation bildet natürlich die gestapelte Landschaft des niederländischen Pavillons, in dem die bezaubernde Wasserlandschaft (noch über dem Wald) die oberste Ebene und Aussichtsplattform ist. Kein Wunder, dass selbst bei Regen die Schlangen vor diesem Pavillon besonders lang sind (Wartezeiten von 60 bis 90 Minuten sind keine Seltenheit). Den Reichtum und die Gewalt des Wassers führen auf beeindruckende Weise die Norweger vor. Sie lassen durch einen Einschnitt in ihren rechteckigen Pavillon einen gewaltigen Wasserfall in die Tiefe rauschen. Aus 15 Meter Höhe stürzen dort stündlich 1,6 Millionen Liter Wasser herunter. Diese urtümliche Kraft zieht unwillkürlich die Besucher an (auch hier gehören lange Schlangen zum Alltag) und ist auch von weitem zu hören. Im Kontrast dazu wurde im Innern ein Raum der Stille hinter dem Wasserfall geschaffen. Künstlerische Idee Realisiert wurde diese Inszenierung in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Marianne Heskes. Ihre Arbeit ist einer der besten Künstlerbeiträge auf dem Expo-Gelände überhaupt. Da wurde nicht krampfhaft eine begleitende oder dekorierende Form gewählt, sondern die künstlerische Idee in die Architektur integriert. Etwas Ähnliches gelang den Italienern bei der Konzeption ihres Pavillons, der aus einem großen weißen Kuppelbau mit einem raketenartigen Turm besteht und aus der Ferne an eine Moschee mit Minarett erinnert. In dem Turm hat der Video-Künstler Fabrizio Plessi, der auch in der documenta 1987 vertreten war, eine Installation geschaffen, die wie ein elektrischer Wasserfall wirkt: Auf bläulichem Grund ergießen sich in der Länge leuchtend helle Strahlen, die sowohl an Wasser wie auch an Elektrizität denken lassen. Dieser Turm, der in sich die Elemente von Architektur, Design und Kunst vereinigt, hat das Zeug zu einem Wahrzeichen. Plessi ist innerhalb des Expo-Geländes ein weiteres Mal mit einer beachtlichen Arbeit vertreten: In der Halle 16 haben die drei Nachbarländer Tirol, Südtirol und Trentino aus den zwei Alpenrepubliken Österreich, und Italien unter dem Namen euregio einen Gemeinschaftsstand, auf dem ebenfalls der Umgang mit dem Wasser thematisiert wird. Der Dreier-Gruppe und den Berglandschaften gemäß dreht sich auf diesem Stand alles um das Dreieck. Dementsprechend hat Plessi drei große stählerne Dreiecke errichten lassen, in die er Monitor-Reihen einbauen ließ. Auf den Bildschirmen des liegenden Dreiecks erlebt man leicht bewegtes Wasser; in dem hochkant gestellten Dreieck wird das den Berg runter rauschende Wasser simuliert; und in der dritten Arbeit wird das ewige Eis vorgeführt. Die Reihung der Monitore mit den immer gleichen oder ähnlichen Bildern sorgt für eine intensive Wirkung. Man spürt Plessis Meisterschaft im Umgang mit Video-Installationen und wird zugleich an das Thema hervorragend herangeführt. Arbeiten wie diese stellen die offiziellen, so genannten freien Kunstbeiträge der Expo total in den Schatten.
HNA 12. 7. 2000