Vom Holzdruck zur Malerei

Zum dritten Mal widmet der Kunstverein Göttingen dem Maler und Holzdrucker Gustav Kluge eine Ausstellung. Im Alten Rathaus sind vorrangig großformatige Holzdrucke zu sehen.

GÖTTINGEN Der Holzschnitt ist eine traditionsreiche Vervielfältigungstechnik. Mit seiner Hilfe können Bilder in Serien gedruckt werden. Insbesondere die deutschen Expressionisten entwickelten aber vor knapp 100 Jahren den Holzschnitt zu einer eigenständigen bildnerischen Technik, die es ihnen erlaubte, großflächige Kompositionen zu gestalten. HAP Grieshaber wurde dann in den 50er- und 60er-Jahren zum Inbegriff der neu begründeten deutschen Holzschnittkunst. Eine neuerliche Wiedergeburt erlebte der Holzschnitt mit dem Aufkommen der so genannten wilden Malerei um 1980. Dabei arbeiten Georg Baselitz und Anselm Kiefer, um die prominentesten Künstler zu nennen, mit dem Holzschnitt in einer Weise, die den Gedanken an die Vervielfältigung in den Hintergrund treten lässt: Die geschnittene und eingefärbte Holzplatte wird genutzt, um die Ausdrucksmöglichkeiten der Malerei zu erweitern. Auch der 1947 in Wittenberg/Elbe geborene Gustav Kluge, der in Hamburg und Karlsruhe lebt, steht für diese Umwidmung der alten Technik. Platten mit Geschichte Kluge verwendet als Druckstöcke Holzplatten, die ihre eigene Geschichte haben Regal- und Fußbodenbretter und alte Türen. Diese Geschichte lässt er beim Druck mit wirksam werden die Strukturen des Holzes gehen in den Druck mit ein und weichen so die eingeschnittenen Formen auf oder unterlaufen sie. Bereits diese Öffnung der Formensprache trägt dazu bei, die malerischen Elemente in dem Werk zu stärken. Kluge, der vor allem durch seine Holzdrucke bekannt geworden ist, versteht sich auch in erster Linie als Maler. Das Ausloten der Nuancen ist für ihn ein wesentliches Moment. Wenn mehrere Exemplare von einem Motiv entstehen, dann nicht als Folge identischer Bilder, sondern als Variationen: Kluge trägt auf die bearbeiteten Holzplatten die Farbe dick auf, übermalt wieder, gräbt neue Spuren ins Holz und färbt wieder anders ein. Auf diese Weise schafft er Serien von Originalen. Keine Buntheit Die Farbigkeit in Kluges Holzdrucken bewegt sich in einem engen Rahmen. Grelle Buntheit gibt es dort nicht. Alles entwickelt sich aus der schwarzen Grundform, die meist durch die Figur oder das Zentralmotiv vorgegeben ist. Wäre diese Schwarzform nicht da, könnte man leicht übersehen, dass man Holzdrucke vor sich hat, da Kluge meist auf Leinwände druckt beziehungsweise Papier auf Leinwände klebt. Es handelt sich um düstere, ins Mythische weisende Bilder, deren Titel (Erschütterungsdruck, Ringbaum, Rotgeld) eher verrätseln, als dass sie die Bilder erklären würden. Gleichwohl ziehen diese Drucke die Blicke der Betrachter direkt in ihren Bann, weil zum einen die extremen Formate faszinieren und weil zum anderen die sich überlagernden und ineinander fließenden Farben die erzählerische Ebene erweitern. Vor 14 Jahren hatte der Kunstverein Göttingen erstmals Einblick in Kluges Arbeit als Holzdrucker gegeben. In der jetzt gebotenen Übersicht wirkt der Holzdrucker noch malerischer. Seine Ausdrucksmöglichkeiten schein vielfältiger geworden zu sein, das Grafische rückt weiter weg.
HNA 30. 5. 2001

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