Rembrandts Landschaften in der Kasseler Gemäldegalerie: Gemälde, Zeichnungen und Radierungen
KASSEL. Es ist viel über das Kunstverständnis von Rembrandt geschrieben worden. Doch das meiste bewegt sich im Raum der Spekulation, denn von dem Maler selbst sind keine Bekenntnisse überliefert. Deshalb kann auch niemand sagen, warum sich Rembrandt erst kurz vor 1640 mit der Landschaftsdarstellung zu beschäftigen begann und warum er gut zehn Jahre später das Interesse an dem Thema wieder verlor.
Gregor Weber, der Leiter der Kasseler Gemäldegalerie, der zusammen mit seinem Leidener Kollegen Christiaan Vogelaar die Ausstellung Rembrandts Landschaften erarbeitete, stuft die Bilder zu diesem Themenbereich als eine private, sehr persönliche Seite des Malers ein. Rembrandt habe sich nie unter die damals nur gering geschätzten Landschaftsmaler begeben wollen, sondern habe die Bilder nur für sich geschaffen. Das könnte einer der Gründe dafür sein, dass von ihm überhaupt nur acht Landschaftsgemälde überliefert sind.
Umso überraschender ist, dass die wenigen gemalten Landschaften Meisterwerke sind, die von einem sehr eigenen und selbstbewussten Umgang mit der Thematik zeugen. In ihnen mischen genauste Wirklichkeitsstudien mit fantastischen Überformungen. Auch die dramatischen Hell-Dunkel-Kontraste mit ihren weichen Übergängen, die wir aus der Figurenmalerei Rembrandts kennen, beherrschen die stimmungsvollen Landschaftskompositionen.
Allerdings darf man aus dem kurzen Ausflug in die Landschaftsmalerei keine falschen Schlüsse ziehen. Denn während die Gemälde offenbar nicht für den Markt bestimmt waren, schuf Rembrandt 32 Radierungen mit Landschaften, die wie die anderen Druckgrafiken für den Verkauf bestimmt waren.
Diese Drucke trugen die eigenwillige Auffassung Rembrandts von der Landschaft in die Welt: Immer wieder ging es ihm darum, die Gesamtwirkung von Häusern und Baumgruppen in der Landschaft unter den wechselnden Bedingungen des Lichts zum Ausdruck zu bringen.
Dabei änderte er innerhalb einer Komposition die Haltung: Hier umriss er großzügig das Volumen, da arbeitete er eine Struktur bis ins feinste Detail aus. Diese Wechseltechnik führt dazu, dass man auch das nur Angedeutete für genau ausgestaltet hält.
Während Rembrandts Gemälde vom Fantastischen geprägt sind, folgen seine rund 200 Landschaftszeichnungen der Realität. Im Laufe einiger Jahre legte sich Rembrandt einen großen Formenvorrat an. Bis ins 20. Jahrhundert ließ sich verfolgen, wo er einzelne Studien in seinem Skizzenbuch festhielt. Dass er in der Natur zeichnete, hat er selbst in Zeichnungen dokumentiert.
Die Zeichnungen sind von überragender Meisterschaft. Durch die Wahl unterschiedlicher Papiere und Techniken entstanden zahlreiche Kompositionen, die den Weg zur Malerei wiesen. Für die Betrachter ist stets aufs Neue faszinierend, wie die flüchtige Skizze und das perfekt ausgeführte winzige Detail nebeneinander stehen. Jedes einzelne Blatt fordert die intensive Auseinandersetzung.
HNA 1. 7. 2006