Jahrzehntelanger Streit um die Urheberschaft der Rembrandt-Bilder – Beispiel Greis mit goldener Kette
Das gibt es nicht oft, dass zu Ehren eines einzelnen Gemäldes eine eigens wissenschaftlich vorbereitete Ausstellung stattfindet. Doch Ende 2001 war es in Kassel so weit. In Zusammenarbeit mit niederländischen Kollegen hatte das Kasseler Team um Bernhard Schnackenburg, der damalige Leiter der Gemäldegalerie, die Ausstellung Der junge Rembrandt erarbeitet. Im Zentrum stand dabei das wohl 1632 geschaffene Gemälde Greis mit goldener Kette.
Das angesehene Rembrandt Research Project, das mit naturwissenschaftlichen Methoden sämtliche Rembrandt-Gemälde untersucht, hatte 1986 das Bild als Rembrandt-Imitation von herausragender Meisterschaft bezeichnet. Nicht die Qualität spreche gegen Rembrandt als Urheber, sondern die Malweise. Fortan wurde das Bild nicht mehr als eigenhändiges Werk des Meisters bezeichnet.
Als verdächtig galt die grobe und raue Malweise. Schon Wilhelm von Bode hatte 1883 bemerkt, das Gesicht sei wie in Farbe geknetet: in sicheren, großen Pinselstrichen ist, fast unvermittelt, Falte neben Falte gesetzt.
Aber schon bald änderte sich die Sichtweise. Die große Rembrandt-Ausstellung, die 1991 im Alten Museum in Berlin gezeigt wurde, führte durch Bildvergleiche zu der These, dass nicht erst der späte Rembrandt, sondern auch schon der junge Künstler in rauer Manier (mit dick aufgesetzten Farben) gemalt habe. Zehn Jahre später vertiefte Schnackenburg diesen Gedanken und entwickelte dabei die Idee, dass der junge Rembrandt an Charakterköpfen (Tronien), die nicht als Porträts gemeint waren, mit der rauen Malweise experimentiert habe. Daraus leitete er die These ab, dass der Greis mit goldener Kette doch ein Werk Rembrandts sei. Argumentationshilfe bekam er von Ernst de Wetering, der zum Team des Rembrandt Research Project gehört und der für die Abschreibung als Meisterwerk mit verantwortlich gewesen war.
Jetzt wird in der aktuellen Kasseler Ausstellung 34 Gemälde ‚Rembrandts‘ in Kassel! die eindeutige Zuordnung des Bildes zu Rembrandts Werk wieder infrage gestellt. Schnackenburgs Nachfolger in der Gemäldegalerie, Gregor Weber, nimmt im Katalog zur Ausstellung die kritischen Stimmen auf und schreibt nach erfolgter Restaurierung: In seiner wiedergewonnenen Vielfarbigkeit und nun deutlicher sichtbaren additiven Malweise im Inkarnat entspricht das Gemälde nur bedingt der heutigen Vorstellung von Rembrandts originalen Werken zwischen 1630 und 1635. Dieser erneuten Abwertung des Gemäldes stellt sich Schnackenburg natürlich entgegen.
Der Streit um den Originalbegriff ist verständlich. Er lenkt allerdings von dem Wesen des Bildes ab. Denn darin sind sich beide Seiten einig, dass es sich bei dem Greis mit goldener Kette um ein außerordentliches Meisterwerk handelt, das weit über die Zeit hinausweist, ganz gleich, wer es gemalt hat.
HNA 15. 7. 2006