Rembrandts Werk wieder größer

Die Berliner Museen feiern den 400. Geburtstag des Malers mit drei Ausstellungen – Neue Zuschreibungen

BERLIN. Es ist wie auf der Achterbahn: Mal geht es hoch, und alle Bilder, die nach Rembrandt aussehen, werden ihm auch als eigenhändige Werke zugeschrieben; dann wieder geht es in der Schussfahrt runter, und Rembrandts Werk schrumpft gewaltig. Nachdem es in den 80er-Jahren stark abwärts gegangen war, befinden wir uns nun wieder in der Bergfahrt: Die Berliner Ausstellung „Rembrandt – ein Genie auf der Suche“ führt mehrere Gemälde vor, denen heute die Forschung wieder zutraut, von des Meisters Hand gemalt worden zu sein.
Eines der Bilder, die wieder in den Kreis der echten Rembrandts aufgenommen wurden, ist der aus Lille kommende „Lustlose Student“. Zu seiner Ehrenrettung trug entschieden Bernhard Schnackenburg, der frühere Leiter der Kasseler Gemäldegalerie, bei, der auch mit dafür gesorgt hatte, dass das in Kassel beheimatete Bild „Büste eines Greises mit goldener Kette“ wieder als Rembrandt-Bild gewertet wird. Die Darstellung des Studenten, die in Körperhaltung und Mimik die ganze Lustlosigkeit ausdrückt, fasziniert durch den braun-gelb-grünen Ton und die malerisch so fein ausgeführte helle Wand im Hintergrund. Das Gemälde wurde füher deswegen nicht als Rembrandt-Werk angesehen, weil es so anders als die meisten Schöpfungen Rembrandts ist. Immerhin gibt es eine gewisse Nähe zu dem frühen Rembrandt-Bild „Der Maler in seinem Atelier“.
Heute denken viele genau andersherum: Schüler und Kopisten Rembrandts hätten sich eher an das gehalten, was als sein Stil galt. Der Meister selbst aber habe experimentiert und auch Kompositionen geschaffen, die aus dem Rahmen fallen. Dieser neue, befreiende Blick auf ein malerisches Werk, der hilft, das Besondere zu erkennen, macht den Wert der Berliner Gemäldeschau aus, die 80 Gemälde von Rembrandt und seinem Umkreis erfasst.

Die Schau bietet eine ganze Reihe außerordentlich schöner Gemälde wie das aus St. Petersburg kommende Bild der „Heiligen Familie mit den Engeln“, das eine große Verwandtschaft mit dem kleinen Kasseler Bild der Heiligen Familie hat. Bemerkenswert ist auch das Mädchenporträt, in dem die Dargestellte mit ihren Händen über den (gemalten) Rahmen greift.
Bei allem Stolz auf die Ausstellung können die Berliner aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihre Rembrandt-Schau vor 15 Jahren repräsentativer war und dass Hauptwerke aus dem späten Schaffen fehlen. Eine Ausstellung, die weder den „Segen Jakobs“ (Kassel) noch das Familienbild (Braunschweig) zeigt, ist zwangsläufig lückenhaft. Auch spürt man, dass Kassel im Moment ein Plus hat. Denn der in Schloss Wilhelmshöhe ausgebreitete Aspekt der Landschaftsmalerei fehlt unter den Berliner Gemälden. Er wird nur in der Ausstellung der Zeichnungen vorgeführt.
Das heißt: Der Berliner Auftritt ist imposant – insbesondere durch die Koppelung von Gemälden, Zeichnungen und Radierungen. Aber er ist weit davon entfernt, den ganzen Rembrandt vorzustellen.
HNA 9. 8. 2006

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