Baum-Kunst verändert die Stadt

Vor 25 Jahren begann Joseph Beuys seine Aktion „7000 Eichen“ in Kassel – Es war der Start für das größte Flächenkunstwerk

KASSEL. Zweimal, 1972 und 1977, hatte der Aktionskünstler Joseph Beuys (1921-1986) die documenta in Kassel genutzt, um mit den Besuchern darüber zu diskutieren, wie man mithilfe der Kunst und Kreativität in der Gesellschaft verändernd wirken könne. 1982 schließlich tat er den entscheidenden Schritt und verließ das Museum, um das Stadtgebiet von Kassel mit der Baumpflanzaktion „7000 Eichen“ zu überziehen.
Heute vor 25 Jahren wurde auf dem Friedrichsplatz vor dem Museum Fridericianum der erste Baum gepflanzt. Der letzte der 7000 Bäume wurde direkt daneben gesetzt – allerdings erst fünf Jahre später, zur Eröffnung der documenta 8. Beuys erlebte den Abschluss nicht mehr. Er war ein Jahr zuvor gestorben.
Die Aktion hat die Stadt auf nachhaltige Weise verändert. Da, wo es kein Grün gab, sind Alleen entstanden. Der Künstler und sein Team wollten im Zentrum der Stadt, in dem Flächen mit Asphalt und Beton versiegelt waren, Pflanzorte auch gegen den Widerstand der Behörden gewinnen. Motto: „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“.
Es dauerte lange, bis die Stadt und ihre Einwohner das größte Flächen-Kunstwerk als ein Geschenk verstanden. Unmut entzündete sich zunächst daran, dass die 7000 Basaltsäulen, die zu der Pflanzaktion gebraucht wurden, keilförmig auf dem Friedrichsplatz gelagert wurden und erst im Laufe der Jahre verschwanden. Immer wieder wurde die Frage gestellt, was die Aktion mit Kunst zu tun haben sollte.
Joseph Beuys wollte nicht einfach die gepflanzten Bäume und die neben sie gesetzten Basaltsäulen zu Kunst erklären. Vielmehr verstand er die documenta 7 als den Ort, an dem er seinen neuen Kunstbegriff umsetzen konnte. Er wollte seine weitläufige Vorstellung von Skulptur in ein Unternehmen übertragen, das zur Erneuerung der Gesellschaft beitragen sollte. In den Bäumen und speziell in den langsam wachsenden Eichen sah er das ideale Mittel, um diese Idee sowie eine neue Zukunftsfähigkeit zu verwirklichen.
Zu der Zahl 7000 war Beuys gekommen, weil die Aktion ein Beitrag zur documenta 7 war und für ihn die 7 eine uralte Schlüsselzahl für Baumpflanzungen ist. In England und in den USA gibt es Städte mit dem Namen Seven Oaks (Sieben Eichen). 70 oder 700 Bäume zu pflanzen, war ihm zu wenig. So kam er auf 7000, eine Zahl, die alle, ihn eingeschlossen, bis an den Rand ihrer Kräfte brachte.
Die Baumpflanzaktion wurde zu einem langen Prozess, denn man konnte nur im Frühjahr und Herbst pflanzen. Auch mussten die Gelder von 3,5 Millionen Mark (1,79 Mio. Euro) zusammengetragen werden.
Als genauso schwierig wie die fünfjährige Pflanzaktion erwies sich dann der Umgang mit der sozialen Skulptur. Erst durch einen Runden Tisch, der sieben Thesen zum Umgang mit den „7000 Eichen“ erarbeitete, und eine 2002 gegründete Stiftung wurde das Geschenk von Beuys in Kassel so angenommen, dass es erhalten und weiterentwickelt werden kann.
www.7000eichen.de
HNA 16. 3. 2007

Hintergrund: 7000 Eichen
Der Künstler Joseph Beuys entwickelte 1981 die Idee einer Aktion „7000 Eichen“ für die documenta 7. Jeweils zwei Naturformen sollten an einem Standort zusammengeführt werden: Neben jeden gepflanzten Baum sollte ein vulkanisch gewachsener Stein, eine unbehauene Basaltsäule, gesetzt werden.
Im Stadtgebiet von Kassel wurden fünf Eichensorten sowie 36 andere Baumarten gepflanzt. Die Auswahl richtete sich nach den Wachstumsbedingungen an den Standorten. Trotz der Vielfalt der Baumarten hielt Beuys an dem Namen „7000 Eichen“ fest, weil für ihn die Eiche mit ihrem langsamen Wachstum die Jahrhunderte verbindet.
Mittlerweile dokumentiert ein Baumkataster, wo welcher Baum gepflanzt ist. Ein Beirat der Stadt und die Stiftung „7000 Eichen“ kümmern sich um die Pflege und Weiterentwicklung des Projekts und sorgen auch für Ersatzpflanzungen.
HNA 16. 3. 2007

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