Gewächshäuser in der Aue haben lange Tradition

Von einem „absonderlichen“ Haus aus dem 17. Jahrhundert zum documenta-Pavillon auf der Karlswiese

Kassel. Der Pavillon, der für die documenta 12 entsteht, nimmt Gestalt an. Im Moment fasziniert die Struktur der Verstrebungen. Die filigrane Stahlkonstruktion wird aber bald hinter den transparenten Wänden verschwinden. Das Bauwerk zieht immer wieder die Spaziergänger an und löst lebhafte Diskussionen aus. Besucher der documenta IX werden sich erinnern, dass im Sommer 1992 in der Aue ebenfalls provisorische Pavillonbauten standen – auf Stelzen. Auch sie waren der Leichtigkeit und Transparenz verpflichtet – ganz im Gegensatz zu den traditionellen Museen oder alten Industriehallen.
Wenn man sich von Süden her der Karlswiese nähert und sieht, wie von hinten durch die Stahlkonstruktion die gelb leuchtende Orangerie durchscheint, dann wird einem klar, dass der documenta-Pavillon direkt auf den Ort reagiert. Denn indem sich das Team von Roger Buergel für ein Baukastensystem aus Gewächshäusern entschied, entstand ein Gegenbild zur Orangerie, die ihrem Ursprung nach nichts anderes als ein winterliches Gewächshaus für exotische Pflanzen ist.
Doch die unter Landgraf Karl zu Beginn des 18. Jahrhunderts erbaute Orangerie war keineswegs das erste Gewächshaus in der Aue. Matthäus Merian, der von vielen Städten, darunter Kassel (1648), uns überlieferte Stadtansichten schuf, bezog in seine Darstellung auch die Aue ein. Die war damals noch eine von zwei Fuldaarmen umschlossene Insel, auf der ein Lustgarten angelegt war. Merian beschrieb Mitte des 17. Jahrhunderts den Garten genau. Zwischen den Hütten, Gängen und Wasserkünsten hatte er auch ein „absonderliches“ Gewächshaus ausgemacht, das, wie er beschrieb, ebenfalls provisorisch war. Es wurde im Herbst aufgebaut und im Frühjahr wieder zusammengelegt.
HNA 13. 3. 2007

Schreibe einen Kommentar