Von der Wahrheit des Bildes

Im 20. Jahrhundert machte die Kunst sich selbst zum Thema. Die Realität und Illusion des Bildes wurden hinterfragt. Ein Pionier war der Belgier Rene? Magritte (1898 – 1967).

Ceci n’est pas une pipe – Das ist keine Pfeife“ steht unter dem Bild, das unstrittig eine Pfeife zeigt. Was soll der Unsinn? Es ist keiner, denn in der Tat handelt es sich bei dem, was man hier sieht, nicht um eine wirkliche Pfeife, sondern um die Darstellung einer Pfeife. Der anscheinende Widerspruch löst sich also schnell auf. Der Schöpfer des Bildes, der aus der Surrealismus-Bewegung kommende Belgier Rene? Magritte, führt vor Augen, daß auch das realistisch scheinende Bild pure Illusion ist, daß die Dinge nur vorgestellt werden und nicht wirklich sind.
Mit der Verwechslung von Wirklichkeit und ihrer Darstellung haben viele Künstler gespielt – vor allem jene Realisten, denen es gelang, eine gemalte Bildebene plastisch wirken zu lassen. Aber mit dieser Konsequenz war die Bild-Täuschung zuvor nicht als Malerei-Thema formuliert worden. Um das Verwirrspiel komplett zu machen, gab Magritte dem in Öl ausgeführten Gemälde den Anschein einer Werbetafel.
Magritte hat im Laufe seines Lebens eine Fülle eigenwilliger, magisch-surrealer Werke geschaffen, die Seherfahrungen auf den Kopf stellten, indem sie unten und oben sowie innen und außen vertauschten. Er hat aber auch die Kunst auf den Kopf gestellt, indem er böse und „schlecht gemalte“ Bilder schuf, die wie ein Vorgriff auf das erscheinen, womit 20 Jahre später Immendorff und Baselitz provozierten.
Das Bild der Pfeife sollte für die weitere Kunstdiskussion und auch -entwicklung von zentraler Bedeutung sein. Es bot die Grundlage für die Frage nach dem Wesen und der Wahrheit des Bildes und für die Infragestellung der Kunst und des Kunstbetriebes.
Magrittes Landsmann Marcel Broodthaers (1924 – 1976) knüpfte an dieses Bewußtseinsspiel an: Er baute ein fiktives (und in Teilen doch wieder reales) Adler-Museum auf, in dem er alle Adler-Darstellungen vereinte – ganz gleich, ob sie aus dem Bereich von Kunst oder Werbung kamen. Dieses Museum, das ausschnitthaft 1972 und 1997 in der Kasseler documenta zu sehen war, stellte sich selbst zur Diskussion: Broodthaers hatte die Adler-Objekte und -Darstellungen vielfach mit dem Hinweisschild „Dies ist kein Kunstwerk“ versehen. Die Botschaft war klar: Nicht alles, was im Kunstmuseum ausgestellt ist, muß Kunst sein. Man muß jedesmal neu darüber nachdenken und diskutieren.
HNA 11. 3. 1999

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