Am Samstag wird in Venedig die 48. Kunst-Biennale eröffnet. Künstlerischer Leiter ist der Schweizer Harald Szeemann (66), dessen Kasseler documenta 5 (1972) als ein Meilenstein gilt.
Auf dem Weg zwischen dem Zentrum von Venedig und dem Lido liegt die Parkanlage Giardini, in deren Pavillons traditionell die zentrale Ausstellung der Biennale stattfindet sowie die einzelnen Nationen ihre Beiträge zeigen.
Zum viel kritisierten Ritus der vergangenen Biennalen gehörte, daß im zentralen Pavillon der Kern der thematischen Ausstellung sowie in ausufernder Breite die italienische Kunst gezeigt wurde. Damit räumt der Schweizer Harald Szeemann in der am Samstag beginnenden Biennale auf: Eine thematische Ausstellung gibt es nicht mehr und die italienischen Künstler werden in die Gesamtausstellung integriert – was schon zu Protesten geführt hat. Außerdem bricht Szeemann mit einer Tradition, die er selbst mitbegründet hat: Seit 1980 wurden meist unter dem Titel „Aperto“ (Offen) in einer anderen Ausstellungshalle die Werke jüngerer Künstler vorgestellt.
Die Kunst der jungen Generation gehört für Szeemann nun mit zur zentralen Schau. Außerdem hat er, wie er in Interviews betonte, die Kommissare der verschiedenen Länder ermutigt, in ihren Pavillons jüngere Künstler und vor allem Künstlerinnen vorzustellen.
Harald Szeemann gilt immer noch als der große Ausstellungszauberer. Unvergessen ist seine documenta von 1972, in der den in den 60er Jahren neu entstandenen Strömungen ein Forum bot und in der er den Ansatz zu einer umfassenden Bildbefragung lieferte.
Danach erregte Szeemann mit Projekten wie „Monte Verita?“, „Die Junggesellenmaschine“ und „Das Gesamtkunstwerk“ Aufsehen. Bei seinen Übersichtsausstellungen („Einleuchten“ in Hamburg) schien er sich aber nur schwerlich von den Künstlern trennen zu können, die er 1972 als die neuen Helden vorgestellt hatte.
Dies hat sich offenbar jetzt geändert. In Venedig konzentriert er sich auf die jüngeren und mittleren Generationen und nimmt nur einige wenige der älteren Garde (Louise Bourgeois, James Lee Byars, Diter Rot) hinzu.
Wie bei den vergangenen Biennalen werden auch außerhalb der Giardini neue Räume erobert. Zu dem schon bewährten, langgestreckten Bau der ehemaligen Seilerei kommt dahinter das Gelände des Arsenale mit zum Teil verfallenden Bauten hinzu.
Den deutschen Pavillon erhielt in diesem Jahr Rosemarie Trockel für eine dreiteilige Videoarbeit. Die Künstlerin hatte bei der vorigen documenta zusammen mit Carsten Höller eine der Publikumsattraktionen geschaffen – das „Haus für Schweine und Menschen“. (Bis 7. November)
HNA 11. 6. 1999