Der Nestor der abstrakten Malerei in Deutschland ist tot. Der Hagener Maler Emil Schumacher starb unerwartet 87jährig in seinem Ferienhaus auf Ibiza.
Seit 45 Jahren war der Hagener Maler Emil Schumacher eine feste Größe für den Kunstbetrieb. Frühzeitig, Anfang der 50er Jahre, hatte er seinen unverkennbaren abstrakten Stil gefunden: Indem er den Farben zur Freiheit von der Form verhalf, verschaffte er sich selbst die Möglichkeit, die Farben auf den Flächen so aufzubauen, daß sie plastische Gestalt gewinnen konnten. Obwohl Schumacher sich und seinem Stil stets treu blieb, überraschte er immer wieder mit Neuentdeckungen in der Welt jenseits des Gegenständlichen. Gerade in den letzten fünfzehn Jahren hatte Schumacher einen neuen malerischen Entwicklungsschub gehabt. Seine Kompositionen, die früher oft von dunklen, erdigen Tönen beherrscht waren, schienen aufzubrechen, wurden heller und wirkten noch vitaler. Schumachers Lust am Malen war bis zuletzt ungebremst. Einen guten Beleg dafür lieferte vor drei Jahren eine Schumacher-Ausstellung in der Neuen Galerie in Kassel, in der sich ein völlig unverbraucht wirkender Maler vorstellte. Aus dieser Ausstellung erwarb die Neue Galerie das Gemälde Valle (1993), das typisch für das Alterswerk von einer breiten Zone der Helligkeit dominiert wird. Obwohl Teile der Komposition wie ein dynamisches Farbchaos wirken, scheint sich das Bild einer Landschaftsdarstellung zu nähern. Ja, darin liegt ein fortdauernder Widerspruch in Schumachers Werk. Seit er Anfang der 50er Jahre die Reste eines neusachlichen Stils hinter sich gelassen hatte, malte er konsequent ungegenständlich. Gleichwohl schuf er durch Farbschichtungen, schwarze, grafische Linien und Einritzungen Bilder, die immer wieder an ungesehene Landschaften erinnerten. Manchmal waren diese Gemälde den Höhlenbildern aus vorgeschichtlicher Zeit nicht unähnlich. Aber gerade weil sie unabhängig von der sichtbaren Welt waren, erwiesen sie sich als meisterlich und autonom. Die Nazizeit und der Kriegsdienst hatten Schumacher in den 30er Jahren am Aufbau an einer freien Künstlerexistenz gehindert. Aber unmittelbar nach Kriegsende schlug er konsequent seinen Weg ein und wurde bald zu einem Vorkämpfer einer sinnlich-abstrakten Kunst in Deutschland. 1959 und 1964 war er mit seinen Werken auf der documenta vertreten. Sein Schaffen wurde in repräsentativen Ausstellungen gewürdigt. Dazu erhielt er zahlreiche Kunstpreise.
HNA 5. 10. 1999