documenta 12 als Gartenschau

In der Serie „Wie die documenta 12 die Kunst präsentiert” stellen wir Werke einzelner oder mehrerer Künstler vor, um zu zeigen, wie die Arbeiten aufeinander bezogen sind.

Die Tatsache, dass es die documenta gibt, haben wir der Bundesgartenschau von 1955 zu verdanken. Die Gartenschau in der Wiederaufbau-Stadt Kassel brauchte nämlich ein kulturelles Rahmenprogramm, vor allem eine Ausstellung. Arnold Bode nutzte die Gunst der Stunde und schuf eine Ausstellung, die zur Weltkunstschau werden sollte.
Bewusst wollte sich Bode von der Gartenschau absetzen und wies den Gedanken zurück, die Kunstwerke in Zelten oder Pavillons zu zeigen. Bodes „Enkel” Roger Buergel dreht den Spieß um. Mit blumigen Motiven werben Poster für die documenta 12, und zum zentralen Ausstellungsort wird ein Pavillon auf der Karlswiese, der aus Gewächshaus-Modulen besteht. Das Gewächshaus birgt nicht nur eine Erinnerung an die Ursprünge der documenta, sondern ist auch die zeitgenössische Antwort auf die vor 300 Jahren erbaute Orangerie, die im Prinzip auch ein Gewächshaus für frostempfindliche Pflanzen war.
Aber dem documenta-Leiter Roger Buergel und seiner Frau Ruth Noack geht es nicht nur um äußerliche Anknüpfungen. Bei ihren Erkundungen der globalen Kunstszene sind sie auf mehrere Künstler gestoßen, die mit Pflanzen und gärtnerischen Projekten arbeiten. Ansätze dazu gab es schon bei früheren documenten: Wolfgang Laib präsentierte Bodenskulpturen aus Blütenstaub, und Joseph Beuys bescherte Kassel die Pflanzaktion „7000 Eichen” (1982).
Die Künstler, von denen wir bisher wissen, dass sie mit gärtnerischen Projekten nach Kassel kommen, sind genauso wenig wie Beuys Gartenkünstler. Sie verstehen vielmehr die Pflanzen oder Felder als Sinnbilder für globale gesellschaftliche Prozesse. Das Mohnfeld, das Sanja Ivekovic auf dem Friedrichsplatz blühen lassen will, verbindet das Bild der Schönheit mit der Mahnung an den Soldatentod. Und mit den Reisterrassen von Sakarin Krue-On wird in den Bergpark Wilhelmshöhe, der der Erbauung gewidmet ist, ein Terrain gebracht, das das Ringen um die Ernährungsgrundlagen verdeutlicht.
Die Österreicherin Ines Doujak (Jahrgang 1959), die sich mit dem Neokolonialismus im Zeichen der Globalisierung beschäftigt, hat eine ironisch-kritische Arbeit zum Thema Biopiraterie entwickelt. Sie spielt darauf an, wie Pflanzen genetisch gezüchtet und patentiert werden, und wie auf diese Weise ganze Landwirtschaften unter fremde Regie kommen.
Ihre Arbeit nennt sie in Anspielung auf ein kubanisches Projekt, bei dem zur Absicherung der Versorgung alle Freiflächen bepflanzt wurden, „Siegesgärten”. Das Werk wirkt auf den ersten Blick spielerisch: Auf einem 16 Meter langen Tisch, der auf weißen Asthölzern steht, wachsen Pflanzen, denen wie im Kleingarten Hölzer mit Samentüten zugeordnet sind. Doch beim näheren Hinschauen wird offenbar, dass das keine handelsüblichen Tüten sind, sondern Bild- und Textcollagen, die in die unterschiedlichsten Bereiche verweisen.

HNA 17. 5. 2007

Schreibe einen Kommentar