Künstler der Besinnung

Im Leverkusener Museum Schloß Morsbroich erbringt Rolf Wedewer den Nachweis. daß es keiner monumentalen Schau bedarf. um das Werk eines Künstlers umfassend darzustellen und eine Künstlerbiographie zu erhellen. Der Besucher wird in der dritten Folge der ,,Atelier“-Austellungen in die Welt des Günther Uecker versetzt, sieht sich von dem beruhigenden Charme der Werke und Installationen gefangengenommen und wird unwillkürlich zum Verständigen.

Dabei ködern den Besucher keineswegs Neuheiten. Der größte Teil des hier ausgebreiteten künstlerischen Werkes ist wohlvertraut: Zeichnungen und Grafiken aus den 50er-Jahren, Nagelbilder und Objekte aus den 60er- und 70er-Jahren und einige Studienblätter. Dazu kommen noch in Vitrinen einige „Fundstücke“‚ aus Ueckers Atelier, die das geistig-künstlerische Umfeld des Malers,mit dem Nagel abstecken – Werk-Reproduktionen von Kandinsky, van Gogh, Kirchner, Kollwitz, und Barlach, Fotos gotischer Kirchen aus Ueckers mitteldeutscher Heimat, Selbstironisches zum Thema Nagel und schließlich Archäologisches aus der antiken und asiatischen Welt.

In langen Gesprächen hat Rolf Wedewer Ueckers Welt zu erkunden versucht. Danach hat er Werke und „Fundstücke“ ausgewählt, um diese Welt auch dem Besucher zu erschließen. Dies gelingt auf der gegenständlich-bildhaften Ebene weit besser und
eindringlicher als auf der sprachlichen im Katalog, die mitunter zum philosophisch-theoretischen Gestrüpp wird: Uecker als der Künstler der seriellen Strukturen, der die Spannungen zwischen Ruhe und Bewegung, Licht und Schatten auszuloten sucht, der die offene Form auch in Geschlosenheit eines Kreises liebt, der nicht auf Bedeutungen zielt, aber doch Spuren der Bewegung und Gestaltung
wiedererkennbar werden lassen will; und Uecker als Künstler der Besinnung und Stille.

Biographien, zumal jene, an deren Abfassung die Betroffenen beteiligt sind, werden gerne vom Ende her konzipiert, so, aIs sei alles in dem Leben darauf abgezielt gewesen, genau den derzeitigen Endpunkt zu erreichen. Auch bei diesem Bemühen, die Quellenbezüge für Ueckers Werk aufzuspüren, wurden die Um- und Abwege ausgespart. Auf diese Weise bekräftigt die Ausstellung Ueckers Wort. er habe sich in den vergangenen Jahren nicht entwickelt, seine Arbeiten seien nur dichter geworden.

Wie es ihm nicht schwer fällt, sich noch einmal ‚mlt seinen äteren Arbeiten auseinander zu setzen, so wird es für die Besucher sehr reizvoll, in dieser Inszenierung dem vertrauten Uecker wiederzubegegnen. Vor allem der Raum, in dem die Sandspirale (ein Stein wirdmmechanisch im Kreis über eine Sandfläche geschleift) von 1965 rekonstruiert worden ist, wurde zum meditativen Zentrüm dieser stillen Räume. Zen gilt hier mehr als ZERO.

RP 24. 3. 1980

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