Im menschenfernen Licht

Ausstellung Kazuo Katase in Düsseldorf

Am Eingang hängt ein großes Farbfoto. Eine wolkenverhangene Alpenlandschaft ist darauf zu sehen. Im Vordergrund, genau im Zentrum des Bildes, steht auf einem Mauerwerk eine große blaue Schale. „Iß dies und trink eine Tasse Tee“, steht darunter als Zitat. Eine ruhige, hoffnungsvolle und auch romantische Vision.
Mit diesem Bild vor Augen wird der Besucher nach rechts oder links durch einen schmalen Gang gelenkt, bis er von einer Ecke des Raumes das Innere überschauen und betreten kann. Spontan schließen sich erst einmal die Augen, so grell, so unwirklich ist das Licht. Der völlig weiß gestrichene, fast leere Raum wird von einem schmerzhaft kalten .Licht überstrahlt, aus dem die Rottöne herausgefiltert sind. Das satte Grün, das verlockende Blau und wohltuende Weiß des Eingangsfotos sind verdrängt, die romantische Vision ist vergangen, nun herrscht ein zerstörerischer Schein.

Im Mittelpunkt des Raumes liegt auf dem Boden eine große Metallkugel. Indem man sich dieser Kugel nähert, erkennt man, dass sie aus zwei Schalen zusammengesetzt ist, die genau der Form auf dem Eingangsfoto entsprechen. Flankiert wird die Kugel von zwei raumhohen Bildern. Es handelt sich um überdimensional vergrößerte Negative. Das eine zeigt einen in eine tiefe Schlucht stürzenden (schwarzen) Wasserfall, das andere einen finsteren Atompilz:
Die Welt-Kugel zwischen dem Quell des Lebens und der Vernichtung; die aufeinandergelegten Schalen bergen beides – Kraft und Zerstörung. Da dem Licht aber seine Wärme genommen wird, ist die Schreckensvision näher als die Schöpfungshoffnung.

Diese eindringlich-klare und dabei viele Gefühle und Gedanken in Gang setzende Rauminszenierung trägt den Namen „Windstille“. Sie wurde von dem seit zwölf Jahren in Kassel lebenden Japaner Kazuo Katase (Jahrgang 1947) geschaffen, der mit diesem Raumbild die Möglichkeit erhielt, sich im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen (Düsseldorf) vorzustellen.

Kazuo Katase ist ein Künstler, der wichtige Impulse aus der künstlerischen Fotografie empfing, der auch häufig die Fotografie einbezieht, der aber nie auf ein Medium festzulegen ist. Schon frühzeitig hat er über das Bild hinaus in den Raum gedacht, hat sozusagen die Bilder in den Raum projiziert. In diesen Inszenierungen verbinden sich auf glückliche Art asiatische und europäische Anschauungen; Bildern der höchsten Konzentration und Stille werden romantische und politisch- aufklärerische Elemente hinzugefügt. Aus Tempeln werden Spannungsräume.

Mit dem Titel „Windstille“ umschreibt der Künstler genau jenen Moment des Innehaltens und Schweigens, der dem großen Ausbruch vorausgeht bzw. folgt. Es ist dies keine beschauliche Stille, wie sie auf dem Eingangsfoto beschworen wird, sondern ein kalter, menschenferner Augenblick. Eine packende Installation, die die poetische Ebene nicht verlässt.

Die Entscheidung Katases, sich auf der Düsseldorfer Kunstbühne nur mit einer Arbeit vorzustellen, war richtig. Sie kündet von einem langen Atem. Der Ausstellung, die in der Düsseldorfer Kunsthalle parallel zu einer großen Werkschau von Cy Twombly läuft, ist ein außerordentlicher schöner Katalog (22 DM) beigegeben.

HNA 16. 1. 1988

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