Möglichkeiten der Malerei

Ausstellung Pitt Moog in der Galerie Trost in Lippstadt

Wie entwickelt sich ein künstlerisches Werk? Wie waren die Anfänge, wo steht der Künstler heute? Das sind Fragen, die sich von selbst stellen, wenn, wie Pitt Moog, ein Maler seit 40 Jahren professionell tätig ist und schon vor 30 Jahren seine erste Ausstellung in dieser Galerie hatte.

Die Antwort darauf ist schwer, fast unmöglich. Nicht, weil Pitt Moog an dem Punkt stehen geblieben wäre, an dem er begonnen hat, sondern weil seine Entwicklung so kurvenreich und verschlungen ist, dass sich alle schematischen Einteilungen verbieten. Am ehesten wird man dem Werk gerecht, wenn man in Widersprüchen von ihm redet. Zu diesen Widersprüchen gehört, dass sich Moog im Laufe seines Schaffens immer neue Ausdrucksformen erschloss und genau dadurch wiederholt zu seinen Anfängen zurückkehrte. Dass der Maler es selbst so sieht, spiegelt diese Ausstellung. Ohne dass er sie retrospektiv versteht, bezieht er in die Präsentation mit großer Selbstverständlichkeit Bilder aus den 60er-Jahren mit ein. Sie sind für ihn und auch uns genauso aktuell wie jüngste Schöpfungen.

Pitt Moog arbeitet gern seriell. Er wählt ein Thema, eine Technik oder eine Ausdrucksform und setzt sich solange damit auseinander, bis er für sich die Möglichkeiten im Moment erschöpft hat. So ist 1960 die Serie der 17 kleinen Ölbilder „Troja – Staub und Steine entstanden, und so schuf er 1999 die Folge „Wo Nacht und Sonne sich treffen“, die in ihrer lichten Zartheit und in der Beschwörung der in den Sand gebrannten Bilder wie ein fernes Echo auf die fast 40 Jahre älteren Werke wirkt.

Überraschend für uns als Betrachter sind die immer neuen Ansätze, die Moog wählt. Mal baut er aus der Farbe heraus Formen auf, die durch Hell-Dunkel-Variationen Plastizität gewinnen. Dann wieder entscheidet er sich für ein Chaos aus unreinen Farben und ungeklärten Zeichen, das ganz plötzlich in eine illusionistische Vision umkippen kann. Pit Moog ist ein Maler, der das Bewusstsein vom Ende der traditionellen Malerei als Herausforderung begreift, um malend über die Geschichte der Malerei bis zu ihren Anfängen nachzudenken und auf diese Weise vorzuführen, dass es auch eine Malerei nach der Malerei gibt.

Als Pit Moog in den 50er-Jahren an der Kasseler Akademie studierte, war er unmittelbar hineingezogen in die damals aktuellen Auseinandersetzungen. Die abstrakte, rein auf sich bezogene Malerei galt als die einzige Zukunftsmöglichkeit. In Fritz Winter fand er dort einen Lehrer, der diese Position überzeugend vertrat. Und die zweite documenta von 1959 war in dieser Hinsicht als eine eindeutige Manifestation zu verstehen. Aber der documenta-Begründer Arnold Bode, bei dem Moog studierte, stand als Künstler für eine Malerei, die die Brücke zum Gegenständlichen und Erzählerischen nicht abbrach.

Das sich daraus ergebende Spannungsverhältnis entsprach genau dem Naturell von Moog. Auf der einen Seite verschrieb er sich der Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Malerei. Etwa: Wie lassen sich aus den vorzeitlichen Bildern Erkenntnisse für eine Malweise gewinnen, die sich zur flächigen Kompositionsweise bekennt und trotzdem räumlich Tiefe herstellen will? Oder: Wie kann die Farbe die Vorherrschaft über die Form gewinnen? Oder: Werden die Grenzen des Bildes erreicht, wenn man dem Chaos aus Zeichen, Formen und Collage-Elementen freien Lauf lässt? Wir wissen, dass die Grenzen nicht erreicht wurden. Stets entstand ein souveränes Bild. Jedes von ihnen hat seine eigene Sprache und gehört doch unverkennbar zu dem Werk, das bei aller Vielfalt von einem Temperament geprägt ist. Bereits in der documenta III konnte Moog mit seinen eigenen Bildern diese Haltung verdeutlichen.

Die Kunst des 20. Jahrhunderts hat sich von der traditionellen Bildsprache abgelöst, indem sie die Leinwand nicht länger als Projektionsfläche für Bilder begriff, sondern als die Ebene, auf der Farben und Formen in ein Verhältnis zueinander kommen müssen. Erneuern konnte sich die Kunst auch dadurch, dass sie die Ausdrucksweisen anderer Kulturen einbezog. Vor allem die archaischen Köpfe und Figuren aus Afrika und aus der Südsee wurden erfolgreich als Mittel genutzt, um ein Stück der verlorenen Ursprünglichkeit zurückzugewinnen.

Pitt Moog entdeckte für sich ein verwandtes Feld. Die vorzeitlichen Fels- und Höhlenbilder, die ferne Mythen beschwören, faszinieren uns alle. Doch ein Künstler, der über die zeitlose Vereinfachung der Darstellung von Figuren nachdenkt und die Zeichenhaftigkeit sucht, muss die Schöpfer der Höhlenbilder als Mitstreiter empfinden, als Künstler der gleichen Denkungsart. So vollzieht sich für den Zeitgenossen Moog Unglaubliches: Indem er die Bildsprache der Vorzeit aufnimmt, abwandelt und in neue Zusammenhänge stellt, entwickelt er eine Variation moderner Abstraktion und Stilisierung. Er schlägt eine Brücke von den uns überlieferten Anfängen der Malerei zur aktuellen Gegenwart.

Nicht viel anders verhält es sich, wenn man die Felsbilder insgesamt betrachtet, also über die Tier- und Menschengestalten hinweg auf die farbigen Untergründe mit ihren vielfältigen Schichten und Unreinheiten. Dann erblickt man Bilder, die genau dem heutigen Malstil entsprechen, der die Farben improvisierend und gegen den Strich einsetzt und damit die Malerei thematisiert. Auch in dieser Beziehung lässt Moog einen Dialog über die Zeiten hinweg entstehen. Das meiner Ansicht nach Phantastische an Moogs Kompositionsweise ist die Tatsache, dass er selbst dann, wenn er Teile der Leinwand roh stehen lässt, die weiße Farbe ungleichmäßig aufträgt, in grober Manier schwarze Zeichen darauf setzt und collagierend noch ein paar Formen hinzufügt, wenn er also alles tut, um die klassische Bildwirkung zu vermeiden, verdichtet sich alles zu einer geschlossenen Komposition mit erzählerischen Tendenzen.

Moogs Farbpalette ist, aufs Ganze gesehen, begrenzt. Wenn man das behauptet, muss man gleich auf die Ausnahmen verweisen. Beispielsweise setzte er sich Mitte der 60er-Jahre sehr intensiv mit der Figur auseinander, vielleicht auch, um sich von den Vorbildern und Vaterfiguren zu lösen. Diese Bilder sind bunt – innerhalb der schwarzen Umrisslinien blühen rote, blaue, gelbe, grüne und weiße Flächen auf. Ähnlich bunt arbeitete Moog noch einmal zehn Jahre später, als er einem Impuls zum Surrealen und Zeichnerischen folgte. Ansonsten aber herrschen die Braun- und Gelbtöne vor, eingedunkelt und aufgehellt durch Schwarz und Weiß. Es sind die Farben der Steine und Felsen, des Sandes und der Berge, des Schattens und des Lichts. Solche Kompositionen können duftig und leicht geraten wie die Troja-Bilder von 1960, die Moog fast in Aquarell-Manier mit dünnen Ölfarben malte.

Diesen poetischen Zauber aus vom Licht gedämpften und durchstrahlten Farben schuf er auch in der 1999 gemalten Serie „Wo Nacht und Sonne sich treffen“ In diesen Bildern übernehmen die Figuren als Lichtgestalten die Regie, sie erscheinen wie weiße Schatten. Das sind Kompositionen voller Erzähllust, die Geschichten andeuten, aber nicht vortragen. Die Geheimnisse bleiben ebenso bewahrt wie in den Höhlenbildern.

Aber es gibt auch Kompositionen, in denen Moog die Schwarz-Braun-Weiß-Palette erweitert. Dann tritt ein kräftiges, großflächiges Rot dazu, das Moog durch weiße Kontrastflächen und schwarze Schattenlinien zum Leuchten bringt. Der „Satyr“ von 1966 ist solch ein Bild: Das Rot und die ihm verwandten Töne, die sowieso den größten Teil der Fläche einnehmen, treten nach vorn, dominieren das Bild und lassen den Satyr zu einer unheimlichen Figur werden.

25 Jahre später malte Pitt Moog ein ähnliches Dreiklangbild.:“Porte Meccheria“. Es ist insgesamt heller und wirkt nahezu abstrakt. Das Rot ist diszipliniert . Es tritt zwar auch nach vorn, nimmt aber weniger Raum ein und wird von dem weißen Querbalken darüber dominiert. Die beiden Bilder stehen für zwei Malweisen und auch für den Spannungsbogen zwischen annähernd figürlicher und freier Malerei. Sie zeugen aber von einem Grundverständnis und Temperament. Die Frage, welches Bild das frühere war und welches das spätere, wird dabei völlig unerheblich. Entscheidend ist, ob wir die Vielzahl der von Moog ausprobierten Möglichkeiten erkennen.

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