Die Zeit wird knapp

Wenn Stadt und Land dabei bleiben, daß das Museum Fridericianum außerhalb der documenta-Zeiten als Kunsthalle betrieben werden soll, dann muß in 20 Monaten die erste Ausstellung eröffnet werden. Das wiederum bedeutet, daß jetzt schon der Bespielungsplan für 1988 festliegen müßte. Ist das den Verantwortlichen in Kassel und Wiesbaden klar?
Es sieht nicht so aus. Weder liegt bisher ein verbindlicher Nutzungsvertrag vor, noch ist der Finanzierungsplan genau bekannt, noch steht die Organisationsmannschaft für das Fridericianum, Dabei werden in den großen Ausstellungsinstituten der Bundesrepublik derzeit die Programme für 1988/89 festgelegt.
Natürlich ist bekannt, daß die Stadt, das Land, die Staatlichen Kunstsammlungen, die Gesamthochschule und die documenta GmbH seit Monaten in einer Arbeitsgruppe an einem Nutzungsplan arbeiten und da schon klare Konzept- und Finanzierungsvorstellungen entwickelt haben. Doch nun müssen die Uberlegungen aus dem Dunstkreis der Gerüchte und Hintergrundinformationen heraus, damit am Ende der Plan nicht zusammenbricht.
Zum einen könnte die Zeit zu knapp werden, um eventuelle Tournee-Ausstellungen noch nach Kassel zu holen. Zum anderen aber schafft dieser Schwebezustand ein Vakuum, in das die Gegner des Nutzungskonzepts mit Erfolg hineinstoßen können. Nur so wurde der kürzliche Vorschlag der Kasseler CDU, das Fridericianum doch wieder als Standort für ein Technikmuseum vorzusehen, überhaupt möglich.
Von der in vielen mühsamen Diskussionen gefundenen Lösung, das Fridericianum insgesamt für die documenta freizuhalten und in den Jahren dazwischen als Kunsthalle zu beleben. sollte es kein Zurück mehr geben – auch nicht von der daran gekoppelten Zusage, die Orangerie für das Astronomisch-Physikalische Kabinett auszubauen.
Das Fridericianum wird die größte Kunsthalle in der Bundesrepublik sein. Auch wenn, wie angepeilt und wie zu hoffen, der von Land und Stadt gemeinsam getragene Etat eher in der Nähe von zwei (als einer) Millionen Mark liegt, wird das Gesamtgebäude nicht mit ständig wechselnden Ausstellungen zu belegen sein. So bietet sich an, einen Teil des Hauses jeweils für zwei Jahre einer Abteilung der Staatlichen Kunstsammlungen zu öffnen, die sonst weitgehend auf das Depot angewiesen ist. Den Anfang könnte die Volkskunde machen, damit die Standortdiskussion dieser Sammlung sachbezogen geführt werden kann.
Der andere Teil müßte dem Betrieb der Wechselausstellungen vorbehalten bleiben. Sollte sich bewahrheiten, daß Stadt und Land das Ausstellungsmanagement in die Hände von Volker Rattemeyer legen wollen, der sich durch das Heranholen von Ausstellungen und Geldern wiederholt als Macher erwiesen hat, brauchte nicht befürchtet zu werden, daß das Fridericianum zwischen den documenten veröden könnte. Eine Diskussion über die inhaltliche Konzeption müßte allerdings auch noch erfolgen.

Wenn es der Stadt tatsächlich gelingt, ihren Finanzanteil weitgehend aus Uberschußmitteln der Stadtsparkasse beizusteuern, wird die Belastung für den Kommunalhaushalt nicht hoch. Eine gut genutzte Kunsthalle käme nicht nur der Stadt selbst zugute, sondern würde darüber hinaus Kasel im Kunstführer zu einem weiteren Stern verhelfen.

HNA 1. 4.1986

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