Veit Loers zu seiner Ausstellungsplanung
Die internationale moderne Kunst soll auch zwischen den documenten in Kassel ein Zuhause erhalten. Dr. Veit Loers, der vor wenigen Tagen als künstlerischer Ditektor des Museums Fridericianum seine Arbeit aufnahm, will gleich mit der ersten Ausstellung zu Beginn des nächsten Jahres ein entsprechendes Signal setzen:
Die Eröffnungsausstellung des Fridericianums als Kunsthalle (Etat 1,1 Millionen DM) soll einen Aufbruch markieren und eine große Dokumentation aktueller Kunst werden, wobei die Ausstellung bereits auf die für diesen Sommer geplante documenta 8 reagieren und Antworten geben soll. Auch wenn Loers bereits jetzt bestimmte Vorstellungen über das Konzept hat, wird sich für ihn dieses erst während und nach der documenta konkretisieren.
In einem Gespräch mit unserer Zeitung zu seinem Kasseler Start wollte Loers jedoch darüber hinaus keine Ausstellungsprojekte benennen: In den kommenden Wochen und Monaten muß er erst in Verhandlungen prüfen, was realisierbar und wie es finanzierbar ist. Da die meisten großen Ausstellungsvorhaben einen Vorlauf von zwei, drei Jahren brauchen, steht er unter großem Zeitdruck. Auf jeden Fall will Loers nicht nur für 1988 planen, sondern möglichst ein Programm für seine gesamte Amtszeit (fünf Jahre) erstellen.
Der Kunsthistoriker Veit Loers promovierte über die Rokokoplastik. Er arbeitete dann bei der Bayerischen Landesdenkmalpflege, bevor er an das Museum in Regensburg kam. 1980 war ihm dort die Leitung der neugegründeten Städtischen Galerie übertragen worden. Im Oktober 1986 wurde er aus einem Kreis von 28 Bewerbern zum Leiter des Museums Fridericianum berufen.
Loers glaubt, daß er im Fridericianum maximal sechs große Ausstellungsprojekte pro Jahr verwirklichen kann, von denen er selbst drei erarbeiten will. Bei seinen Vorhaben will sich Loers auf die aktuelle Kunst und die Klassische Moderne unter neuen Fragestellungen konzentrieren. Dazu werden andere Projekte kommen, auch möglicherweise kulturgeschichtliche. Doch gerade in dieser Hinsicht sieht sich Loers noch vor einer Reihe von Fragen, die in den nächsten Tagen und Wochen
geklärt werden müssen. Abzusprechen ist beispielsweise, in welcher Form die Zusammenarbeit mit den Staatlichen Kunstsammlungen Kassel verläuft und wie einzelne Ausstellungen der Kunstsammlungen für das Fridericianum umgesetzt werden können. Klar ist für Loers allerdings, daß er als Direktor des Museums Fridericianum für das Gesamtprogramm und damit das Profil der Kunsthalle verantwortlich ist und daß damit auch die Ausstellungen ins Konzept passen müssen, die er selbst nicht erarbeitet.
Die Vorgaben von Land und Stadt als den Trägern und Geldgebern formulieren für Loers den Anspruch, unter dem er antritt: Die Ausstellungen im Museum Fridericianum sollen das kulturelle Leben dieser Region bereichern und zugleich Attraktionen für die Kunstinteressierten aus anderen Landschaften bilden. Das bedeutet für ihn konkret, daß die Kasseler Ausstellungen mindestens bis nach Hannover und Frankfurt und ins Rheinland ausstrahlen sollen. Eine Zusammenarbeit mit anderen Institutionen muß dementsprechend weiträumiger orientiert sein.
Loers geht davon aus, daß für den Besuch der Ausstellungen Eintritt verlangt wird – allein um die Versicherungsprämien für die ausgeliehenen Kunstwerke zu decken. Das bedeute andererseits, daß auch Qualität geboten werde. So will Loers gelegentlich lieber nur Teile des Fridericianums bespielen, bevor er unter einem Vollständigkeitszwang jeweils das ganze Haus füllen müßte. Außerdem ist es für ihn selbstverständlich, zu jedem Vorhaben über die didaktische Aufarbeitung nachzudenken.
Erstes Ziel von Loers ist es, um Vertrauen für das Museum Fridericianum als neuer Kunsthalle zu werben. Da das Haus nicht über die Ausstattung eines Kunstmuseums verfüge (kein Restaurator) und da das Leihgeschäft nach einer gewissen Hackordnung verlaufe, müsse erst die Basis für ein erfolgreiches Ausstellungsprogramm geschaffen werden.
Loers hat äuch die regionale und lokale Anbindung im Blick, also den Wunsch der hiesigen Künstler nach einer repräsentativen Ausstellungsmöglichkeit. Wenn Gerhard Richter aus Kassel käme, erhielte er auf jeden Fall seine Retrospektive im Fridericianum, meint er zur Spiegelung regionaler Kunst. Ebenfalls will er darüber nachdenken, wie für die jeweiligen Bode-Preisträger Ausstellungen
eingerichtet werden können. Auch eine Gesamtschau regionaler Kunst hält Loers für diskutierbar – allerdings nicht im jährlichen Rhythmus. Uber diese Dinge müsse gesprochen werden; versprochen sei nichts.
HNA 14. 1. 1987