Zwei Jahre lang Sendepause?

Fridericianum als Kunsthalle

Nach langem Ringen wurde erreicht, das Museum Fridericianum als Ganzes für die documenta zu erhalten und gleichzeitig die Orangerie zur künftigen Heimstatt des Technik-Museums zu bestimmen. Das Votum für das Fridericianum als documenta-Bau hält aber nur dann der Kritik stand, wenn es gelingt, zwischen den documenten das Fridericianum für wechselnde Ausstellungen zu nutzen.

Das ist allgemein anerkannt. Nun gibt es aber für den schnellen Beginn eines solchen Kunsthallenbetriebs gleich mehrere Hürden: Es ist nicht sichtbar, woher die Geldmittel dafür kommen sollen; es gibt noch kein Koordinationsbüro für die Ausstellungsorganisation; und vor allem muß das Fridericianum noch ausgebaut werden.

Dieser notwendige Innenausbau gerät jetzt unter starken zeitlichen Druck. Einerseits verzögerte sich die Ausbauplanung durch die Nutzungs-Diskussion, andererseits drängen der beauftragte Architekt Quast sowie das Staatshochbauamt auf schnellen Beginn, um rechtzeitig vor der documenta 8 fertig zu werden, und drittens versperrt sich Kassel den Zugang zu bedeutenden (und finanziell günstigen) Ausstellungsvorhaben, wenn es für zwei Jahre das Fridericianum dicht macht.
Problematisch wird das nächste Jahr: 1985 sollten nach Ansicht der Bauplaner die Um- und Ausbauarbeiten sowohl im Fridericianum als auch in der Orangerie anlaufen, das heißt, daß mit einem Schlag die beiden repräsentativen Ausstellungsplätze Kassels ausfielen. Für 1985 sind aber schon heute vier große Ausstellungsvorhaben absehbar, für die es entweder Zuschüsse gibt oder die weitgehend durch Fremdmittel gesichert sind: Brüder Grimm, Hugenotten, Stipendiaten der Villa Massimo sowie anderer Fördererinstitutionen und Germinations III.

Im Moment wird darum gerungen, die Brüder-Grimm- Ausstellung im Fridericianum zu gewährleisten — und zwar in der für den Tourismus attraktiven Zeit, im Sommer. Auch bei der Hugenotten-Ausstellung (April — Juli 1985) wird an das Fridericianum gedacht. Die Bauplaner würden am liebsten aber schon im Fühjahr 1985 dicht machen, um Ende 1986 fertig zu werden. Dabei werden die künftigen documenta-Leiter ihre Ausbau-Wünsche erst in der nächsten Woche äußern.
Heute jedoch werden sich schon die Verantwortlichen von Stadt und Land zusammensetzen, um diese nähere Zukunft des Fridericianums zu beraten. Dabei sollte nicht nur an die Brüder Grimm und die Hugenotten gedacht werden, sondern auch an die beiden anderen Projekte, die 1983 erstmals mit viel Mühe nach Kassel geholt wurden, die auf Dauer im festen Rhythmus mit Kassel als Standort stattfinden sollen, die aber mit Sicherheit der Stadt verloren gehen, wenn sie einmal als Veranstalter ausfällt.

Es muß also eine Lösung gefunden werden, die Kassel insbesondere bis Herbst 1985 nicht sämtlicher großzügiger Ausstellungsmöglichkeiten beraubt. Andererseits muß Einigkeit darüber bestehen, daß die documenta 8 unbedingten Vorrang hat. Frage also: Gibt es Wege um beides miteinander In Einklang zu bringen?
Erste Überlegung: Das Fridericianum ist als ein in der Mitte teilbares Gebäude wiedererrichtet worden. Kann daraus nicht die praktische Konsequenz gezogen werden, zumindest während der ersten Phase des Innenausbaus diese Teilung zu vollziehen und eine Hälfte bespielbar zu halten. Architekt Quast sieht da zwar erhebliche Schwierigkeiten; doch lassen sich diese nicht durch radikale Abgrenzung überwinden?

Zweitens: Können nicht schon einzelne Ausbauarbeiten bis zum Frühjahr 1985 erledigt werden, wenn jetzt bald die Detailplanung in Angriff genommen wird? Immerhin ist der Landeshaushalt 1984 noch nicht verabschiedet.

Drittens: Gibt es andere Gebäude (wie die Halle K 18), die vorübergehend als Ersatzstandorte genutzt werden könnten?
In Kassel darf nicht einlach zwei Jahre lang Sendepause herrschen. Sonst verhindert der Ausbau genau das, was er mit- bewirken soll – Kassel zu einem attraktiven Standort für Wechselausstellungen werden zu lassen.

HNA 17. 2.^1984

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