Wo bitte geht’s zum Leben?

Abschiedsausstellung von René Block

Mitten in einer eisig wirkenden Weite ein schwarz gekleideter Mann, der ratlos hin- und hergeht. Ein Wegweiser zeigt in zwei verschiedene
Richtungen: Nach links geht es zur Kunst (art), nach rechts zum Leben (life). Wohin soll er sich wenden? Denn egal, wohin er blickt, kann er nichts entdecken. Haben Kunst und Leben wirklich nichts zu bieten? Und schließen sie sich tatsächlich gegenseitig aus?
Die Video-Arbeit „Artist‘s Dilemma“ von Roi Vaara bringt in einer kurzen Sequenz auf absurd-heitere Weise auf den Punkt, was Künstler, aber auch Kunstbetrachter immer wieder beschäftigt. Die Arbeit lenkt außerdem den Blick auf ein Feld der Kunst, das durch seine Verbindung von Poesie, Sprach- und Bildwitz bezaubert und das der Leiter der Kunsthalle Fridericianum, René Block, liebt. Allerdings ist Blocks Antwort auf die Fragen, die die Video- Arbeit aufwirft, klar: Für ihn führt der Weg über die Kunst ins Leben. Sie schließen sich also keineswegs aus.
Zum Jahresende läuft der Kasseler Vertrag mit Block aus, der seit 1998 das Programm der Kunsthalle verantwortet. Der Abschied von ihm wird ein tiefer Einschnitt. Doch der weltweit engagierte Ausstellungsleiter versteht es, auch seine letzten beiden Ausstellungswochen zu einem Ereignis zu machen. An die Stelle der statischen Kunstschau setzt er ein Festival – mit Aufführungen und Aktionen und wechselnden Video- Arbeiten. Es lohnt sich also, mehrfach in die Kunsthalle zu kommen.
Erst vor wenigen Tagen ging in Belgrad der 47. Oktober-Salon zu Ende, den Reré Block unter dem Titel „Art, Life & Confusion“ als einen transeuropäischen Dialog organisiert hatte. Diese Ausstellung zeigte, wie selbst fern auseinander liegende Welten in fruchtbare Beziehung gebracht werden können. Einige der dort präsentierten Arbeiten hat Block nach Kassel geholt, um hier nun eine Art Schlussbilanz seiner kuratorischen Tätigkeit zu ziehen. In dieser Schau darf natürlich Joseph Beuys nicht fehlen. Von ihm wird das 1972 in Kassel aufgenommene Video „Boxkampf für direkte Demokratie“ gezeigt – ergänzt durch drei Videos anderer Künstler, die ebenfalls das Boxen thematisiert haben.
Die größte Uberraschung ist, dass man ausschließlich Video-Arbeiten sieht. Die sind stark und unterhaltsam – und überwiegend politisch: Bei Wael Shawky sieht man, wie ein Mann durch einen Supermarkt geht und laut aus dem Koran zitiert. Und Tellervo sowie Oliver-Kochta Kalleinen stellten in verschiedenen Städten Chöre zusammen, die Lieder mit Beschwerden über die örtlichen Zustände vortragen. Deutlicher und stimmungsvoller kann die Kunst nicht auf das Leben verweisen. Eine höchst vergnügliche Arbeit.

13. 11. 2006

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