Neue Folge der Kuratoren-Werkstatt in der Kunsthalle Fridericianum
Auch wenn das Motto der Ausstellungsreihe in diesem Sommer 5 Tage bis zum Endeder Kunst heißt, ist die Kunst längst nicht an ihr Ende gekommen. Im Gegenteil: René Blocks Idee, im Rahmen einer Kuratoren-Werkstatt in der Kasseler Kunsthalle Fridericianum jungen Ausstellungsmachern die Gelegenheit zu geben, ein eigenes Projekt zu realisieren, beschert dem Publikum eine Fülle von Kunst.
Spannend an der Ausstellungsreihe ist, dass sich die einzelnen Teile zeitlich überschneiden, so dass sich immer neue Bezüge ergeben. Der jetzt eröffnete dritte Teil, für den die Rumänin Alina Serban verantwortlich ist, versammelt unter dem Titel indirect speech (indirekte Rede) Arbeiten von Künstlern, die zwischen 27 und 38 Jahre alt sind und die sich überwiegend mit der Frage auseinandersetzen, wie über die Welt und die Erfahrungen in ihr gesprochen werden kann.
Den konventionellsten Weg beschreitet der Rumäne Stefan Constantinescu, der das in der Literatursund Kunst beliebte und romantisch verklärte Motiv der ins Wasser gegangenen Ophelia aufnimmt.. Sein Video spiegelt in poetischer Weise die Todessehnsucht, bricht aber auch die Illusion durch krimihafte Einblendungen aus der Wirklichkeit.
Auch Ciprean Muresans bezieht sich auf die Literatur. Er präsentiert in Buchform und als Hörstück Kafkas Roman Das Schloss. Da er den Romassschluss verändert hat, versteht nur der die Arbeit und den in ihr verborgenen Witz, der das Original kennt. Folgt mau Ioana Nemes, dann ist das gelebte Leben ein großer schwarzer Raum, in dem man nur mühsam die Erinnerungsfetzen zusammentragen kann: Die Rumänin hat zwei benachbarte Räume schwarz gestrichen und auf eine Wand, die Raumgrenze überspringend, in riesigen weißen Lettern eine Glückwunschbotschaft geschrieben. Daneben findet man – wie Hilferufe – in dem schwarzen Raum winzige Sätze in handschriftlicher Form.
Die Welt muss neu zusammengesetzt werden. Das dokumentiert auch Pablo Pijnappels dreifache Dia-Projektion. In Bildern und Texten wird das Leben der Tänzerin Felicitas Baer eingekreist. Eine Frau, ihre Welt und ihre Zeit werden greifbar. Dennoch erscheint sie unerreichbar.
Selbst dann, wenn man den Menschen auf den Leib rückt, wenn die körperliche Nähe unerträglich wird, werden die Personen nicht fassbar. Der Russe Victor Alimpiev hat mit seiner Videoinstallation Wie heißt dieser Platz? eine herausragende Arbeit über Zuwendung und Abkapselung, über Körpersprache und Emotionen geschaffen. Die Bilder von der eng zusammengedrängten Menschengruppe sind hervorragend choreografiert und gefilmt. Man blickt in eine Welt, in der es schwer fällt, klare Orientierung zu finden. Ein wahres Meisterstück.
HNA 6. 9. 2006