Großes Finale des Balkan-Abenteuers

Am Sonntag geht die Ausstellung im Fridericianum zu Ende

In der Geschichte der Kasseler Kunsthalle Fridericianum ist die am Sonntag endende Ausstellung in den „Schluchten des Balkan“ ein Meilenstein. Uns, die wir die Balkan-Länder wenig oder gar nicht kennen, hat die Ausstellung mit einer quirligen und hoch politischen Kunstszene vertraut gemacht. Wahrscheinlich ist der Vorteil der Künstler dort, dass sie und ihre Arbeiten noch nicht vom Markt verschlissen sind und dass sie Erfahrungen, Ängste und Konflikte auf den Punkt bringen können, die die Menschen um sie herum beschäftigen.
Aber die Ausstellung dient nicht nur unserer Information. Ihre zentrale Leistung besteht darin, dass sie ein umfassendes Forum für die Balkan-Länder und deren Künstler geboten hat und in gewisser Weise identitätsstiftend wirken kann. Durch die Ausstellung – zu der es unabhängig davon in Osterreich zwei Parallelveranstaltungen gab – haben sich viele Künstler überhaupt erst kennen gelernt; vor allem ermöglichte sie Begegnungen über die Generationsgrenzen hinweg.
Das Interesse an der Kasseler Schau in den Balkan-Staaten ist groß. So wird in Bukarest überlegt, ob man mit der Ausstellung im Oktober nächsten Jahres das Museum für zeitgenössische Kunst eröffnen kann – so das nötige Geld da ist. Auch für die Biennale in Cetinje (Montenegro) wird überlegt, ob für das kommende Jahr die Kasseler Ausstellung als Orientierungsrahmen dienen kann.
Auf jeden Fäll geht das in Kassel angestoßene Balkan- Projekt weiter – mit Konferenzen in Istanbul (Dezember) und Belgrad (Mai). Außerdem werden kleinere Ausstellungsprojekte geplant. So soll es in Belgrad erstmals eine Schau kroatischer Künstler geben, und in Zagreb werden sich albanische Künstler vorstellen.
Die von René Block organisierte Ausstellung bezog auch solche Künstler wie Marina Abramovic oder Jannis Kounellis ein, die schon lange auf der internationalen Bühne präsent sind. In der Ausstellung nun zeigte sich, dass etwa Marina Abramovic nicht nur mehrere Künstler-Generationen geprägt hat, sondern dass sie auch mit ihren aktuellen Arbeiten ihre führende Rolle behauptet. Ihre mehrteilige Raum- und Video-Installation „Balkan Baroque“ ist in ihrer Brisanz und Vielschichtigkeit das heimliche Zentrum der Ausstellung.
Daneben bestehen die Arbeiten der jüngeren Künstler auf erfrischende Weise. Einige beschritten ungewöhnliche Wege – wie Veronika Tzekova, die für das Ausstellungspersonal T-Shirts mit dem Aufdruck „My Boss is Turkish“ (Mein Chef ist Türke) anfertigen ließ.
Die Künstlerin wird zur Finissage am heutigen Abend nach Kassel kommen. Innerhalb des um 19 Uhr beginnenden Programms wird sich die Künstlerin ab 22 Uhr versteigern lassen. Der Meistbietende erhält die Möglichkeit zu einem längerem Gespräch mit der Künstlerin. Die symbolische Versteigerung wird der Künstler und Kunstprofessor Olaf Metzel leiten, der heute mit Münchner Akademie-Studenten die Ausstellung besucht.

HNA 21. 11. 2003

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