Die Luxus-Kunsthalle

Buchstäblich bis zur letzten Minute haben die Grünen im Kasseler Rathaus die Haushaltsrnittel zusammengekratzt, um die Kunsthalle im Museum Fridericianum in diesem Jahr doch noch in der versprochenen Höhe zu finanzieren. Damit wären das Ausstellungsprogramm von René Block, der städtische Etat und die rot-grüne Koalition vorerst gerettet.
Ende gut – alles gut? Keineswegs. Zwar kann jetzt die erste Ausstellung (,‚Echolot“) am Samstag richtig starten, auch können die nächsten Veranstaltungen folgen, doch niemand weiß zur Stunde, wie es im nächsten Jahr weitergeht. Dabei brauchen Ausstellungen, die international organisiert werden, mehrere Monate Vorlauf.
Die Restfinanzierung der Kasseler Kunsthalle war ein Lehrstück dafür, wie man Politik nicht betreiben soll. Indem der gemeinsame Etat für documenta und Kunsthalle zum letzten offenen Rest gemacht wurde, erschien er als genau das, was er nicht sein darf – als die Dreingabe, die man sich auch noch gestatten kann, wenn alles andere finanziert ist. Offensichtlich ist noch nicht begriffen worden, daß es kulturelle Standortfaktoren gibt, die für das Leben in einer Stadt genauso wichtig sind wie soziale Einrichtungen oder der öffentliche Nahverkehr. Und ebenso wenig scheint ins Bewußtsein der Verantwortlichen gedrungen sein, welch einzigartiges Kapital die documenta und das Fridericianum für Kassel bilden. Dies kann nur derjenige ernsthaft aufs Spiel setzen, der die Kunst für einen Luxus hält.
Haushaltsrechtlich mögen die Ausgaben für die documenta und das Fridericianum unter die Rubrik freiwilliger Ausgaben fallen. Wenn man den Ausstellungsbetrieb auf dieser Ebene aber nicht nur als eine Schönwetterbelustigung ansieht, sondern als ein für das Leben in der Stadt unentbehrliches Element, dann wird daraus eine Pflichtaufgabe. Das heißt: Man kann sich nicht dauernd in Festtagsreden zur documenta und Kunsthalle großartig bekennen, in der politischen Wirklichkeit aber nicht die Konsequenzen daraus ziehen. Insofern ist die Rettung des Kunsthallenetats erst dann ein Erfolg, wenn sie nicht die Folge eines taktischen Manövers ist, sondern die konsequente Umsetzung eines Grundsatzes. In einer Zeit, in der die Mittel knapper werden, als man gewohnt war, führt die generelle Kürzung nicht zur Lösung, sondern die eindeutige Schwerpunktsetzung. Das bedeutet: Wenn man es ernst meint mit der Kunst und Kultur in Kassel, dann muß man sich zur documenta und zum Fridericianum bekennen. Und dann darf es keine Fraktion geben, die mit verschränkten Armen zuschaut, wie die anderen das Kunsthallen-Projekt vor die Wand fahren.

HNA 17. 3. 1998

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