Kassel bekommt Ausstellung von Kunsthochschul-Studenten
Im Oktober nächsten Jahres soll im Kasseler Museum Fridericianum eine Ausstellung eröffnet werden, in der sich je 25 bis 30 ausgewählte Studenten der Kunsthochschulen in der Bundesrepublik, in Frankreich und Großbritannien mit ihren Werken der Öffentlichkeit vorstellen. Mit diesem Ausstellungsprojekt soll ein neuer Weg der Künstler-Nachwuchs-Förderung auf internationaler Ebene beschritten werden. Vorbild für das Unternehmen ist eine Ausstellung deutsch-französischer Kunsthochschulen in Paris, Berlin und Braunschweig in diesem Jahr.
Auch die kommende Schau soll wandern – eventuell nach Düsseldorf, ehe sie weitergeht nach London (wahrscheinlich Tate Gallery) und nach Paris. Sollte sich das Projekt bewähren, so haben die Kunsthochschulleiter vereinbart, könnten weitere Ausstellungen im Zwei-Jahres- Rhythmus folgen, wobei sich Kassel als fester deutscher Standort anböte. Da der Initiator und zentrale Träger des Projektes das Deutsch-Französische Jugendwerk ist, wäre denkbar, daß die Ausstellung der deutschen und französischen Kunsthochschulen jeweils in Zusammenarbeit mit den Hochschulen eines wechselnden Drittlandes (Italien, Niederlande, Spanien) stattfinden.
Das Rohkonzept des Vorhabens wurde jetzt (nach vorübergehenden Schwierigkeiten) bei einem Treffen der Hochschulleiter in Bonn gebilligt. Ausschlaggebend für die Zustimmung war, daß die Gesamthochschule Kassel einen kompletten Finanzierungsplan für das 300 000 DM teure Projekt vorgelegt hatte; dieser Plan erscheint realistisch, nicht zuletzt deshalb, weil er die Kosten auf viele Träger verteilt und so in einem für alle tragbaren Rahmen hält.
Für Kassel als Standort sprach, daß es mit dem durch die documenten international bekannt gewordenen Museum Fridericianum über vorzügliche Ausstellungskapazitäten verfügt; fast ebenso wichtig ist die Tatsache, daß Kassel abseits der professionellen Kunstzentren liegt. Diese Initiativ- und Standort-Vorteile machten wett, daß der Kunsthochschulbereich der Gesamthochschule über keinen sehr großen Ruf verfügt.
Langfristig könnte sich daraus die Perspektive ergeben, daß die documenta-Stadt auch zu einem Ort wird, an dem der Übergang vom Kunsthochschulstudium in die Praxis erprobt und erforscht wird. Andererseits kann auf diese Weise das Fridericianum außerhalb der documenten zu einem Forum junger Kunst werden, die nicht den Weg über die marktbeherrschenden Galerien gegangen ist. Damit hätte der Jugendaustausch einen doppelten Sinn erfüllt.
Für Kassel steckt in diesem Projekt zugleich eine ungeheure Herausforderung. Der Kunsthochschulbereich der Gesamthochschule müßte sinnvoller Weise vor die Auswahl von zwei bis drei geeigneten Studenten eine hochschulinterne, aber für die Öffentlichkeit zugängliche Ausstellung der Studentenarbeiten setzen. Andererseits müssen sich die Verantwortlichen von Stadt, Land, Staatlichen Schlössern und Museen sowie von der Hochschule auf ein Nutzungskonzept für Fridericianum, Orangerie und die als Veranstaltungsgebäude neu gewonnene Fabrikhalle K 18 einigen, um allen Wünschen Rechnung zu tragen und zwischen den documenten derartige Ausstellungsprojekte zu ermöglichen und zu fördern. Vor allem darf es nicht passieren, daß aufwendige Innenausbauten oder Dauer-Installationen das Fridericianum für die nächsten Jahre blockieren. Chancen wie die hier beschriebene würde Kassel kein zweites Mal erhalten. Die Kunstmetropolen wären selbst gern Verwalter dieses Projektes geworden, doch sie haben kein Fridericianum.