Doppelausstellung zu den Grimms im Fridericianum
Mit einem Festakt im Staatstheater Kassel wird heute die Doppel-Ausstellung zum Grimm-Jubiläum im Museum Fridericianum in Kassel eröffnet. Ab morgen dann ist die große Schau bis einschließlich 15. September täglich von 10 bis 18 Uhr zu besichtigen. Im Zentrum der einen Ausstellung stehen das Leben und Wirken von Jacob und Wilhelm Grimm, die als die Märchenbrüder fast zur Legende geworden sind. Doch um diese volkstümliche Seite geht es der von Dieter Hennig (Leiter des Brüder Grimm-Museums in Kassel) geleiteten Ausstellung nur am Rande. Wohl gelangt der Besucher auch in eine umfangreiche Abteilung, in der neben den
Märchen-Ausgaben der Grimms auch die Volkslied- und Märchensammlungen anderer dokumentiert werden und in der Märchen-Illustrationen vorgestellt werden.
Doch dies ist eben nur eine der vielen Seiten im Wirken der beiden gelehrten Brüder, deren 200. Geburtstage in diesem und im nächsten Jahr den Anlaß für die Ausstellung bieten. Die Märchen-Abteilung ist keineswegs herausgehoben, es sollte, wie es gestern in einer Pressekonferenz hieß, kein Disney-Land entstehen.
Die große Frage lautet denn auch an wen wendet sich die Ausstellung? Die vom Land Hessen, den vier Grimm- Städten Hanau, Steinau, Kassel, Marburg sowie der Brüder Grimm-Gesellschaft getragene Ausstellungsgesellschaft hofft auf 100 000 Besucher aus dem In- und Ausland. Man denkt an den Fachbesucher (Schüler, Studenten, Lehrer) und an die interessierten Laien. Eine Erlebnisschau ist es gerade nicht, weil der wissenschaftliche Kern, die Schrift-, Brief- und Buchdokumente, im Mittelpunkt der Ausstellung steht. Allerdings wurde für diesen spröden Kern eine attraktive Schale in Form von schwarz-weiß-roten Führungstafeln geschaffen, auf denen Zitate, erläuternde Texte und Bildreproduktionen auf anschauliche Weise zusammengebracht wurden. Darüber hinaus bereichern Grafiken und Gemälde sowie einige Möbelstücke die Ausstellung. Die Schau ist thematisch gegliedert.
Sie beginnt mit einem Abriß der Biographie der beiden Brüder und führt dann in Dokumenten vor, welche großartigen Leistungen die beiden auf den Gebieten des Rechts, der Geschichte, der Sprache, der Literatur und der Politik vollbracht haben. Ihre amtliche und politische Tätigkeit wird ausführlich in einer weiteren Ausstellung in Marburg gewürdigt, die dort am Sonntag im Universitätsmuseum eröffnet wird.
Die zweite Ausstellung im Fridericianum gilt dem Zeichner und Maler Ludwig Emil Grimm, der durch seine Brüder ebenso bekannt wie gehemmt wurde. Er wird hier nun in der bisher umfassendsten Präsentation seines Werkes als eigenständige künstlerische Kraft vorgestellt. Die Gemälde rücken dabei zugunsten der selten gezeigten Zeichnungen, Aquarelle und Radierungen in den Hintergrund. Der Besucher muß sich beim Eintritt erst daran gewöhnen, daß mit Rücksicht auf die lichtempfindlichen Blätter die Ausstellung nicht stark ausgeleuchtet ist, doch schon bald wird er eine Vielzahl schöner Arbeiten entdecken.
Zu den Ausstellungen in Marburg und Kassel erscheinen drei Kataloge, von denen Ludwig Emil Grimm – Maler, Zeichner,
Radierer (344 S., 36 DM) und 200 Jahre Brüder Grimm – Ihre amtliche und politische Tätigkeit (160 S., 19 DM) bereits vorliegen. Der Hauptband 200 Jahre Brüder Grimm – Dokument ihres Lebens und Wirkens (600 S., 49 DM) erscheint erst in den nächsten Tagen, weil verschiedene Beiträge zu spät angeliefert wurden.
HNA 31. 5. 1985