Einladung ins futuristische Café

Fridericianum / Hohe Kosten für „Italiens Moderne“

Die größte und ehrgeizigste Ausstellung des Museums Fridericianums zwischen den documenten wird am 28. Januar für acht Wochen eröffnet:
„Italiens Moderne – Futurimus und Rationalismus zwischen den Weltkriegen“. Kunsthallenchef Veit Loers will in den Räumen des Fridericianums jenen Aufbruch in Italien erlebbar werden lassen, der weit über die engen Grenzen der Kunst hinausging und neue anspruchsvolle Formen für die Architektur, die Mode, die Werbung und das Design hervorbrachte. AusstelIungsbesucher sollen in einem futuristischen Café pausieren können; und im Erdgeschoß wird Fortunato Deperos „Universum“ von 1915 als begehbarer Raum rekonstruiert.

Die um 1910 entstandene Futurismus-Bewegung verfolgte vor allem das Ziel, im Bild die Erstarrung zu überwinden und Bewegung darzustellen. Loers will diese dynamische italienische Kunstbewegung mit jener anderen Strömung der Moderne, der rational-abstrakten Kunst, konfrontieren und beide auch in ihrem widersprüchlichen Verhältnis zum Faschismus reflektieren.

Das aufwendige Unternehmen wird 90 Prozent des Jahresetats vom Museum Fridericianum verschlingen – 360 000 DM. Die Kosten sind so gewaltig explodiert, weil, wie berichtet, im Dezember die Münchner Villa Stuck als dritte Veranstalterin absprang. So müssen sich Kassel und Valencia (Spanien) die Gesamtkosten in Höhe von über 650 000 DM bislang allein teilen. Derzeit gibt es nur einen kleinen Hoffnungsschimmer: Kassel versucht, die Partnerstadt Florenz als dritten Ausstellungsort zu gewinnen.

In der Schau wird auch ein Pavillon mit der Campari-Werbung der 20er Jahre zu sehen sein. Die naheliegende Vermutung, das unübersehbare Firmensignet dieses italienischen Getränkeunternehmens auf dem Prospekt für die Ausstellung deute darauf hin, daß das Fridericianum mit Campari erstmals einen Sponsor gewonnen habe, täuscht: Die Firma hat lediglich den Druck des Prospekts und dessen Aussendung finanziert – keine zwei Prozent der Gesamtkosten. Allem Anschein nach haben sich hier die Kasseler übervorteilen lassen.

HNA 19. 1. 1990

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