Teil 2 der Ausstellung Dem Herkules zu Füßen, in der jüngere
Künstler ihre Arbeiten präsentieren, ist jetzt im Museum Fridericianum in Kassel zu sehen.
Zwei weiße und zwei graue Blöcke stehen neben- bzw. aufeinander. Die Kästen öffnen sich jeweils zu einer Seite – mal als Rundung, mal als Spalt. Beugt man sich, um in die Blöcke hineinzuschauen, blickt man in eine überraschend üppige Formenwelt. Die Rundungen und Vertiefungen in dem Hohlraum entpuppen sich als Abformungen von sitzenden, hockenden oder stehenden Menschen: Der Reichtum ist im Innern versteckt; jeder Block birgt eine potentielle Skulptur, die nur in Form eines Abdrucks ablesbar ist.
Diese von der Kasseler Kunststudentin Astrid Schneider entwickelte Arbeit ist für den 2. Teil der Ausstellung Dem Herkules zu Füßen charakteristisch: Malerei und Skulptur drängen nicht nach außen, sondern ziehen sich unter die Oberfläche zurück. So entsteht eine direkte Beziehung zwischen Astrid Schneiders Blöcken und den blockartigen Bildobjekten von Jürgen Zähringer, der Farbpigmente in Bleiglaskästen gefüllt und gepreßt hat: Die Farbmasse wird zum Objekt, trotzdem meldet sich die Malerei zurück, weil beim Verschluß der Kästen Spuren und Strukturen entstehen.
Neben sechs schwarzen Bodenarbeiten zeigt Zähringer ein kleines Wandobjekt, das wie ein Flügelaltar gestaltet ist und die Primärfarben Rot, Gelb und Blau zum Urbild erhebt. Auch Thomas Emde hat beim Umgang mit der Farbe auf jede Handschrift verzichtet. Auf dünne Folien trägt er zusammen mit Freunden in vielen Schichten schnell trocknende Farben auf, die zu plastischen Farbteppichen hochwachsen. Dabei entstehen transparente Bilder ohne Träger, die zwischen Decken und Boden schräg verspannt sind.
Auch Thomas Bachlers Bildserie weist nach innen: Ab- und Eindrücke in die Haut (Reißverschluß, Knopf, Armband) hat er schmerzhaft direkt in Polaroidaufnahmen dokumentiert. Diese Pressungen gewinnen Nachdruck durch die massiven Metallrahmen.
Eine Einzelposition nimmt die dreiteilige Fotowand von Boris Blase ein: Der Fotograf hat zu Werbezwecken gemachte Aufnahmen von Kaufhaus- Sonderangeboten gesammelt und daraus drei Bilder-Puzzles gestaltet, die jede innere Spannung vermeiden wollen. Vom Teppich bis zur Armbanduhr, vom Fernseher bis zum Tannenbaum wird alles gleichgewichtig und gleich groß. Der Zauber de Konsumwelt ist dahin.
HNA 14. 9. 1991