Mit der Ausstellung Echolot startet heute um 17 Uhr das neue Programm in der Kunsthalle Museum Fridericianum. René Block hat neun Künstlerinnen eingeladen.
Bis in die Aufbauphase der Ausstellung Echolot oder 9 Fragen an die Peripherie im Kasseler Museum Fridericianum war ungewiß, ob überhaupt die Finanzmittel zum Betrieb der Kunsthalle da seien. Keine gute Voraussetzung für eine konzentrierte Aufbauarbeit. Doch nun steht der Etat und es steht auch die Ausstellung: Die Eröffnungsbesucher werden sich heute Nachmittag davon überzeugen können, daß sich der Streit um die versprochenen Mittel gelohnt hat, denn René Block hat für ein Ausstellungsereignis auf documenta-Niveau gesorgt. Es ist eine Abfolge von zum Teil hervorragenden Räumen entstanden, wobei dankenswerter Weise der Zwehrenturm einbezogen wurde.
Das Bestechende an der Veranstaltung ist, daß sie weder versucht, eine Ubersicht zu geben, noch sich bemüht, Haltungen zusammenzubringen, die nicht zusammenpassen, sondern daß sie den neun eingeladenen Künstlerinnen die Chance bietet, wie in Einzelausstellungen ihre Positionen zu dokumentieren. Diese Großzügigkeit ist eine gute Basis dafür, daß sich zwischen den einzelnen Räumen doch Verbindungslinien und Dialoge herstellen.
Neun Positionen – neun Künstlerinnen: Ghada Amer (1963 in Agypten geboren), Ayse Erkmen (1949, Türkei), Fariba Hajamadi (1957, Iran), Mona Hatoum (1952, Libanon), Gülsün Karamustafa (1946, Türkei), Soo-Ja Kim (1957, Korea), Tracey Moffatt (1960, Australien), Shirin Neshat (1957, Iran) Qin Yufen (1954, China). Um einem Mißverständnis vorzubeugen: Die Ausstellung hat nichts mit dem einige Jahre zurückliegenden Bemühen zu tun, Künstlerinnen in der Öffentlichkeit eine bessere Plattform zu bieten. Sie ist vielmehr aus der (fast gegenläufigen) Erfahrung zu verstehen, daß dort, wo Künstlerinnen Raum finden, sie oftmals die stärkeren und radikaleren Arbeiten hervorbringen. Das heißt, daß sich für Kunsthallen-Direktor René Block die Namensliste nahezu
von selbst ergab, als er nach Werken Ausschau hielt, die im Spannungsfeld zwischen westlich zentrierter Kunst und den (für uns) kulturellen Randzonen entstanden sind.
Block setzt, wenn man so will, genau da ein, wo die documenta X mit ihrem Ausstellungsteil und ihrer Reihe 100 Tage – 100 Gäste aufhörte. Er holte Künstlerinnen zusammen, die aus dem arabischen und asiatischen Raum sowie Australien stammen und die sich sehr stark mit der Frage nach gesellschaftlicher und kultureller Identität beschäftigen: Indem sie sich künstlerisch mit der Rolle der Frau, mit den Problemen der Stadt, der Gewalt und der Sexualität auseinandersetzen, suchen sie zugleich nach neuen Ausdrucksformen von Bild und Objekt. Daß dabei die Malerei selbst nicht, sondern nur als Erinnerung aufscheint, ist wohl ebenso bezeichnend wie die Tatsache, daß Fotografie und Video starke Präsenz gewinnen. Wir werden auf die einzelnen Beiträge noch eingehen.
HNA 21. 3. 1998