Veit Loers nach Mönchengladbach

Der Personalausschuß des Rates der Stadt Mönchengladbach hat gestern Dr. Veit Loers zum neuen Direktor des Museums Abteiberg gewählt.

Ende Juli verliert die Kunsthalle im Museum Fridericianum ihren Direktor: Gestern Abend wurde Dr. Veit Loers (Jahrgang 1942) als Nachfolger von Dierk Stemmler zum Chef des Museums Abteiberg gewählt. Das von Hans Hollein erbaute Haus gilt als ein Hort der Avantgarde-Kunst. Loers‘ Vertrag beginnt am 1. August und gilt für acht Jahre.

Der Weggang von Loers war absehbar. Bereits vor zwei Jahren war er als Direktor der Frankfurter Kunsthalle Schirn im Gespräch gewesen; die katastrophale Finanzlage der Mainmetropole verhinderte aber die Berufung eines neuen künstlerischen Leiters.

Im Moment ist der Verlust, der durch diesen Wechsel für Kassel entsteht, noch nicht überschaubar. Schließlich hat Loers seit dem Start im Jahre 1988 der Kunsthalle im Museum Fridericianum zu einem auch außerhalb Kassels viel beachteten Profil verholfen. Zwar waren populistische Ausstellungen nicht seine Sache, doch fand er immer Mittel und Wege, um neue Blicke auf die kunst zu ermöglichen. Einerseits hatte er stets eine starke Neigung zu konstruktiven und rationalen Tendenzen, andererseits hatte er auch eine Antenne für das Sinnliche und Mythische. So wurden in seinen Ausstellungen, wie schon die großartige Eröffnungsschau „Schlaf der Vernunft“ signalisierte, häufig auseinanderstrebende Haltungen zusammengeführt.

Die finanz- und kulturpolitische Entwicklung in Kassel ermunterte Loers aber zum Weggang. Schon beim Start der Kunsthalle im Fridericianum stand der Ausstellungsetat in keinem Verhältnis zum gewaltigen Raumangebot. Also mußte Loers ständig am Rande des Defizits planen. Dann aber wurden
auch diese Spielräume weiter eingeschränkt. Erst zog der Kunstverein in einen Erdgeschoßflügel des Fridericianums ein, dann nahmen die Alten Meister aus Schloß Wilhelmshöhe das erste Obergeschoß in Beschlag. Von der ursprünglichen Ausstellungsfläche ist für die Kunsthalle auf diese Weise derzeit nur ein Viertel geblieben. Da gleichzeitig aber auch die für Ausstellungen verfügbaren Gelder kräftig gekürzt wurden, ist aus der einstmals größten Kunsthalle der Bundesrepublik ein relativ kleiner „Kunstverein“ geworden. .

Für Kassel und das Fridericianum ist jetzt die Gefahr groß, daß das Experiment Kunsthalle ganz stirbt. Die Stadt und das Land, die die Finanzierung gemeinsam tragen, werden es nicht ungem sehen, daß sie nun die Kosten für den Ausstellungsleiter einsparen können. Für die Kunsthalle wäre es allerdings tödlich, würde nun ausschließlich nur noch das Heil in von Sponsoren angetragenen Ausstellungen gesucht werden. Die Selbstverpflichtung der Träger aus der Gründungsphase zu qualitätsvollen Ausstellungen muß fortbestehen Die Kunsthalle braucht einen neuen künstlerischen Leiter. Das Museum Fridericianum darf nicht bloß gefüllt, sondern muß sinnvoll bespielt werden.

HNA Sommer 1995

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