Ein Fenster zur Kunst der Welt

Zur Vorbereitung auf die 2. Kasseler Museumsnacht am 9. September stellen wir die teilnehmenden Ausstellungsorte vor. Heute: das Museum flidericianum mit Kunsthalle und Kunstverein.

Das Unbehagen war groß, als 1993 der Kasseler Kunstverein aus dem Kulturhaus am Ständeplatz in den einen Erdgeschoss-Flügel des Museums Fridericianum umzog. Die Kunsthalle, die im Fridericianum die Räume abgeben musste, fühlte sich in ihren Möglichkeiten beschnitten. Der Anfangsärger ist mittlerweile vergessen
– nicht nur, weil die handelnden Personen wechselten: Einerseits hätte die Kunsthalle im Museum Fridericianum nicht den Etat, um das ganze Haus ständig qualitätsvoll zu bespielen. Zum anderen ist eine inzwischen beispielhafte Zusammenarbeit entstanden – mit gemeinsamen Publikationen, aufeinander abgestimmten Ausstellungen und gemeinsamen Eröffnungsterminen.

Der 1835 gegründete Kasseler Kunstverein hat, seit er im Fridericianum residiert, sich stärker zur internationalen und experimentellen Kunst geöffnet. Sc wird er Ende des Jahres aus Anlass der Feiern zum 100. Geburtstag des documenta-Vaters Arnold Bode der israelischen documenta-Künstlerin und Bode-Preisträgerin Penny Yassour eine Ausstellung widmen. Der Kunstverein bemüht sich aber auch immer wieder um Brückenschläge zu jener regionalen Kunst, die internationalen Ansprüchen genügt.

Eine in dieser Beziehung beispielhafte Ausstellung wird der Kunstverein am Tag der Museumsnacht (um 12 Uhr) starten. Unter dem Titel „Back to Kassel“. werden Arbeiten von Künstlern gezeigt, die in Kassel geboren wurden, gelebt und studiert haben und nun in anderen Städten ihre Ateliers besitzen. Diese Schau verspricht spannende (Wieder-)Begegnungen, wobei sich die Generationen stark mischen werden. Eingeladen wurden unter anderem: Stephan Balkenhol, Heiner Blum, Martin Brüger, Gunter Demnig, Reinhard Dubrawa, Mechtild Frisch, Bernhard Martin, E.R. Nele, Hanno Otten und Andreas Schulze.

Für die Besucher der Museumsnacht wird dieses Kunstvereinsangebot zum echten Kontrapunkt zur Ausstellung der Kunsthalle im Museum Fridericianum. Mit der jetzt laufenden Schau „Das Lied von der Erde“ hat Kunsthallendirektor René Block den bisherigen Höhepunkt seines Programms ereicht, das stets die Wechselbeziehungen zwischen Zentrum und Peripherie untersucht hat.

„Das Lied von der Erde“ stellt Künstlerinnen und Künster vor, die aus jenen Ländern und Städten kommen, in denen einige der wichtigsten Biennalen veranstaltet werden. Die Besucher können nun anhand der Bilder, Objekte und Installationen selbst feststellen, wie gut der internationale Austausch funktioniert und wie stark sich – bei aller Angleichung der Techniken und Haltungen – kulturelle Eigenheiten behaupten.

Lange Zeit hatte man das Ge!ühl gehabt, dass das Fridericiaium, das alle fünf Jahre das Mutterhaus der documenta ist, Schwierigkeiten hat, seine Rolle m Spannungsfeld zwischen documenta und normalem Ausstellungsbetrieb zu finden. Der frühere Galerist René Block, der seit 1998 das Programm gestaltet, hat den richtigen Ansatz gewählt. Da er auf Grund seiner Auslandserfahrungen weiß, wie hoch international der Stellenwert von documenta und Fridericianum ist, entscheidet er sich immer wieder für Projekte, die direkt oder indirekt auf die documenta zu beziehen sind. So wird die Ausstellung „Das Lied von der Erde“ Ende dieser Woche durch einen Kongress im Fridericianum gekrönt, in dem erstmals die Mitarbeiter der Kunst-Biennalen weltweit einen Dialog aufnehmen.

HNA 1. 8. 2000

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