Bis zum 23. November läuft in der Kunsthalle Fridericianum die Ausstellung In den Schluchten des Balkan, an der 88 Künstler beteiligt sind. In einer Artikelfolge stellen wir einzelne Arbeiten vor.
Künstler leben in Bezügen. Sie schulen sich an Vorbildern, sie wollen wissen, welche Ausdrucksformen und Themen da sind und wo sie mit der eigenen
Arbeit ansetzen können. Bis zum Zusammenbruch des Ostblocks war es aber für viele Künstler in Ost- und Südosteuropa nahezu unmöglich, die eigene Position in Beziehung zu Kollegen und Vorgängern zu bestimmen, sofern sie über die vom Staat propagierte Kunst hinausblickten.
Die 1983 gegründete slowenische Künstlergruppe Irwin thematisiert dieses Dilemma. Zum besseren eigenen Verständnis und zur Orientierung für die anderen hat sie zwei Arbeiten nach Kassel gebracht, die versuchen, in die kunsthistorisch ungeordnete Welt Osteuropas Strukturen zu bringen. In dem Raum, in dem auch die Gruppe Laibach vertreten ist, liegt ein Teppich, auf dem als ein gewaltiges Netzwerk die osteuropäischen Künstler auf einer Landkarte in Beziehung zueinander gebracht werden.
Ob sich die Kunsthistoriker später bei der Einordnung an dieses Beziehungsgeflecht halten, ist zweifelhaft. Aber für die Betrachter ermöglicht diese East Art Map einen spielerischen Zugang zu der unbekannten Fülle.
Einem ähnlichen Zweck dient die Wand darüber, auf der sich Künstlernamen mit konkreten Bildern verbinden. Die Bildwand, auf der sich die Gruppe Irwin in gleicher Höhe mit dem großen Avantgardisten Malevich (Malewitsch) platziert hat, entpuppt sich als eine große Spielwiese der Kunst des 20. Jahrhunderts. In kleinen Bildchen werden die prägenden Bilderfindungen zitiert und mit den heutigen Künstlern in Beziehung gebracht, die in der Ausstellung den Ton angeben. Die Positionsbestimmung der Künstler wird zur anschaulichen Lehrstunde für die Besucher.