Bis zum 23. November läuft in der Kunsthalle Fridericianum die Ausstellung In den Schluchten des Balkan, an der 88 Künstler beteiligt sind. In einer Artikelfolge stellen wir einzelne Arbeiten vor.
Gleich zwei Mal taucht das Motiv der Bildzerstörung auf: In der Rotunde des Fridericianums präsentiert Braco Dimitrijevic unter dem Titel Balkans Waltz gerahmte und verglaste Porträtfotos, in die Spitzhacken hineingeschlagen sind. Und im Zentrum der Installation des türkischen Künstlers Sarkis (Jahrgang 1938) sind Fleischermesser in auf einer Holzplatte ausliegende Aquarelle gestochen worden.
Eine kleine Differenz besteht zwischen beiden Arbeiten: Während Dimitrijevic die Scheiben und Fotos zerstört hat, sind die Aquarellblätter nur an ihren Weißflächen verletzt, die gemalten Motive sind nicht beeinträchtigt. Dies ist auch eine Botschaft von Sarkis: Die Bilder sind zerstochen und versehrt, sie bleiben aber erhalten. Denn die Messer funktionieren wie Nägel, die die Blätter auf dem Untergrund befestigen.
Trotzdem überwiegt bei der ersten Begegnung mit dieser Arbeit die Irritation: Warum sind die so brutal wirkenden Messer in die zarten Aquarelle hineingejagt? Nun, Sarkis beschäftigt sich in einem großen Teil seines Werkes mit der Gewalt und dem Krieg. Die Arbeiten des Künstlers, der 1977 und 1982 in der documenta vertreten war, haben mit Verletzung, Auslöschung und Erinnerung zu tun. Der Sieger, so seine Vorstellung triumphiert nicht nur über den Unterlegenen, sondern er nimmt auch dessen Bilder und Erinnerungen in Besitz.
Doch über diese den Lauf der Geschichte reflektierende und kommentierende Ebene hat er eine andere gelegt. Sie wendet das Ganze ins Biografische und Spielerische. Denn jedes Messer ist mit einer Jahreszahl und einem Städtenamen versehen. Es wird zu einer persönlichen Erinnerung an die Ausstellungen in den Städten der Welt, die Sarkis hatte.
So mischen sich wie in jeder Rückblick an Vergangenes Allgemeines und Spezielles, Schreckliches und Heiteres. Die Kunst behauptet sich in ihrer Vielgestaltigkeit und in ihrem rätselhaften Wesen.