Ein Alptraum der Geschichte

Bis zum 23. November läuft in der Kunsthalle Fridericianum die Ausstellung „In den Schluchten des Balkan‘ an der 88 Künstler beteiligt sind. In einer Artikelfolge stellen wir einzelne Arbeiten vor.

Gebannt schaut man zu. Es entsteht ein merkwürdiges Gemisch aus Faszination und Schrecken. Im Grunde ist es absurd, was man da im Video sieht: Männer in den SS- und Wehrmachtuniformen der Nazi-Zeit wandern mit einem leeren Einkaufswagen durch einen Konsumtempel im slowenischen Ljubljana (Laibach). Die Uniformierten bleiben gelegentlich stehen, um sich Auslagen anzusehen, aber laufen mit dem leeren Wagen weiter. Die Passanten drehen sich bestenfalls neugierig um, aber kümmern sich nicht um die Gestalten, die einen Alptraum der Geschichte verkörpern.

Allein die Vorstellung, Wehrmachtssoldaten mit einem modischen Einkaufswagen zu sehen, ist absurd. Noch grotesker ist der Gedanke, diese deutschen Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg durch weite Teile Europas zogen, im heutigen Ljubljana beim Einkaufsbummel zu erleben. Was empfinden die Menschen? Erleben sie die Soldaten als Bedrohung, als Besatzer? Oder bewirkt diese Provokation bei ihnen gar nichts, weil die meisten den Zweiten Weltkrieg nicht erlebt haben?
Die 1980 gegründete Künstlergruppe Laibach liebt und pflegt die Provokation. Schon die Tatsache, dass sie für die Bezeichnung ihrer Gruppe den deutschen Namen für Ljubljana auswählten, war und ist für viele Slowenen eine Herausforderung.

In den 80er-Jahren, in denen die spätsozialistischen Strukturen auf dem Balkan noch fest geordnet schienen, war die Gruppe Laibach ein Ärgernis für viele Landsleute. Doch der Tabu-Bruch, den die Gruppe in diesem Jahr mit ihrer Aktion „Laibach Einkauf“ beging, rief kein großes Echo hervor. Die Künstler, die auf verborgene Ängste zielten, ziehen ein ernüchterndes Fazit: Die heutigen Menschen seien vom Konsum-Pop-Spektakel derart abgestumpft, dass sie alle Formen von Abweichung und Ausschreitung kommentarlos hinnehmen. Das gewollte Ärgernis ist keines mehr.

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