Was alles Musik sein kann

Die Kunsthalle Fridericianum bemüht sich verstärkt um das Publikum. Neun „Jour Fixe“-Veranstaltungen (mittwochs um 17 Uhr) sollen helfen, mehr zur laufenden Fluxus-Ausstellung zu erfahren. Der Start in dieser Woche war vielversprechend. Das gilt für die Inhalte wie für die Resonanz. Kunsthallendirektor
René Block, der wie kein zweiter Ausstellungsleiter die Fluxus-Bewegung begleitet und auch gefördert hat, unternahm einen Streifzug durch die Geschichte der Fluxus-Konzerte seit ihren Anfängen im Jahre 1962 in Wiesbaden. Dabei illustrierte er seinen Vortrag durch Filmdokumente.

Ausgangspunkt bildeten für ihn zwei Konzerte, die in den letzten beiden Jahren stattgefunden haben und deren Akteure selbst keine Flusus-Künstler waren. Daran knüpfte Block die Frage, ob Fluxus-Musik wie andere Kompositionen von späteren Generationen aufgeführt werden könnte. Dass es gut geht und unterhaltsam funktioniert, belegten die Filmbeispiele.

Trotzdem war zu spüren, dass die Spontaneität fehlt und dass die Versuchung groß ist, die Aufführung zu perfektionieren. Denn zum Wesen der Fiuxus-Musik gehören das Unerwartete und das Provokative. Wenn der Komponist John Cage vier Minuten und 33 Sekunden lang vor einem Flügel sitzt, nicht spielt und allein die Geräusche um sich herum als Musik wirken lässt, wenn das Stühle-Rücken zum Lärm-Konzert verdichtet wird oder wenn ein Kontrabass lautstark misshandelt wird, ist nicht zu übersehen, wie sehr sich die Fluxus-Künstler darum bemühten, die Traditionen der Kunst aufzubrechen. Alles und jedes, was in der Zeit passiert, kann für sie zur Musik werden – das Schweigen wie der Lärm.

Augenzwinkernd erinnerte Block daran, dass Haydn mit seiner „Abschiedssymphonie“ den Fluxus-Künstlern den Weg gewiesen habe. Haydns Werk klingt aus, indem ein Musiker nach dem anderen abwandert.

HNA 17. 1. 2003

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