Wenn allein die Bilder bleiben

Bis zum 23. November läuft in der Kunst halle Fridericianum die Ausstellung „In den Schluchten des Balkan“, an der 88 Künstler beteiligt sind. In einer Artikelfolge stellen wir einzelne Arbeiten vor.

Die Technik ist bei uns nicht unbekannt: Seit den 60er-Jahren haben sich Künstler immer wieder mit der Gestalt von Zeitungen auseinander gesetzt. Ein
beliebtes Mittel war und ist, die Überschriften und Textspalten so unkenntlich zu machen, dass sie zu bloßen Schriftbildern ohne jegliche Information werden.

Cengiz Cekil (Jahrgang 1945) gilt als einer der führenden türkischen Künstler, die in ihren Arbeiten gesellschaftliche Situationen und Konflikte zu spiegeln versuchen. Er verwendet dabei Alltagsmaterialien, um das darstellen zu können, was ihn bewegt.

Für die Ausstellung in Kassel hat er Collagen ausgewählt, die er auf der Grundlage von Zeitungstitelseiten geschaffen hat. Cekil hat sämtliche Überschriften und Texte überklebt. Er hat den Titelseiten die Sprache ausgetrieben und sie auf ihre Bilder reduziert. Wir registrieren eine doppelte Wirkung: Wir merken, wie präsent die Fotos sind und wie stark sie sich als losgelöste Informationen einprägen. Aber indem sie beziehungslos werden, sind sie auch austauschbar. Sie verlieren ihre unmittelbare Brisanz.

Zur gleichen Zeit spüren den Mangel. Uns fehlen die erläuternden und den Zusammenhang stiftenden Überschriften und Texte. Nicht nur deshalb, weil wir es gewohnt sind, Fotos und Texte in direkter Verbindung wahrzunehmen. Viel entscheidender ist, dass die Art der Platzierung der Fotos und die überklebten Bereiche uns auf den Text-Verlust stoßen. Wie alles Verborgene seinen besonderen Reiz auslöst, so fordern diese Textverhüllungen unsere Neugier heraus. Wenn allein die Bilder bleiben, sind wir eben doch ratlos und auf Orientierung angewiesen.

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