Absage an die Malerei

„Less oil more courage“ von Rirkrit Tiravanija in der Kunsthalle Fridericianum

Wie steht es um die Malerei in der Kunsthalle Fridericianum?

Schlecht.

Kunsthallenleiter Rein Wolfs ist, wie er am vorigen Sonntag in einem Rundfunkinterview (hr2) sagte, nicht gewillt, ihr einen besonderen Platz einzuräumen. Er hält sich lieber an die performative und Installations-Kunst, an Künstler, die direkter und mit anderen Medien arbeiten.

Als Zeugen für seine Position ruft Wolfs den thailändischen Künstler Rirkrit Tiravanija (Jahrgang 1961) auf, der sich wiederum auf den amerikanischen Künstler Peter Cain beruft. Cain, der mit 37 Jahren starb, hatte mit dick aufgetragenen Ölfarben Autos in derart realistischer Weise gemalt, dass die Fahrzeuge und damit die Bilder auf ihre Oberflächen reduziert. Aber Cain musste Zweifel an seiner Arbeitsweise gehabt haben, denn in einem Notizbuch notierte er die Worte „More courage less oil“ (Mehr Mut, weniger Öl). Es war wie ein Ordnungsruf, den er an sich selbst richtete. Ein paar Jahre später druckte eine New Yorker Galerie diese worte auf eine Einladungskarte, die auch Tiravanija erhielt.

Rirkrit Tiravanija

Tiravanija eignete sich diesen Ordnungsruf an und drehte die Worte um: „Less oil more courage“. Er erhob die Worte zum Grundsatz und zum Bildmotiv. Er ließ schwarz-weiße Plakate mit den vier Wörtern drucken und machte für Kassel ein Bild daraus: Die ganze Wand im ersten Stock der Rotunde der Kunsthalle Fridericianum wurde schwarz gestrichen, damit in der Mitte mit Hilfe von Schablonen in weißen Großbuchstaben die Botschaft LESS OIL MORE COURAGE herausgeholt werden konnte.

Kennt man die Entstehungsgeschichte nicht, denkt man zuerst an die Energiekrise und an den fehlenden Mut, unsere Gesellschaft noch schneller aus der Abhängigkeit von öl und Gas zu befreien. Dieser Sinn steckt auch in der Arbeit. Es ist also kein Fehler, wenn die botschaft auch in dieser Hinsicht verstanden wird.

Doch mehr geht es um die Kunst und das Selbstverständnis der Malerei in unserer Zeit. Peter Cain meinte, dass er weniger dick das Öl auftragen solle, dass vielleicht die Malerei der falsche Weg sei. Rirkrit Tiravanija (und damit auch Rein Wolfs) sind dankbar für die kritische Selbsterkenntnis, weil sie die Malerei in unserer Zeit im Abseits sehen.

Die Wandarbeit von Tiravanija sucht also die Auseinandersetzung mit der Kunst und dem Museum, die weiter nur oder vornehmlich auf die Malerei setzen.

Dabei nehmen der Künstler und der Kurator den Widerspruch in Kauf, dass die Botschaft, weniger auf Öl in der Malerei zu setzen, mit Hilfe einer Wandmalerei vorgetragen wird. Denn das, was man in der Rotunde im ersten Obergeschoss sieht, ist, streng genommen, ein Wandbild, ist Malerei. Es ist mit 30 Metern Länge und 4,65 Meter Höhe eines der größten Bilder, die jemals im fridericianum zu sehen waren. Mit der Farbe, die dort aufgetragen wurde, hätte man gut und gerne ein Dutzend Leinwände bemalen können. Es bedarf also des traditionellen Wandbildes, um der Malerei Abschied zu sagen. Es hätte nur gefehlt, dass an Stelle der schwarzen und weißen Dispersionsfarben Ölfarben genommen worden wären.

Schreibe einen Kommentar